Gutachten zu Abhördaten im Prozess gegen Kokain-Bande liegt vor
Der Drogen-Prozess gegen die sogenannte Kokain-Bande am Landgericht Neubrandenburg (WsM berichtete), der seit rund einem Jahr andauert, droht zu einer „unendlichen Justizgeschichte“ zu werden. Wie „Wir sind Müritzer“ erfuhr, liegt dem Landgericht jetzt ein lange erwartetes Gutachten vor, das klären sollte, ob die vom Landeskriminalamt gewonnenen Abhördaten vor Gericht verwendet werden können. Doch – man hätte es erwarten können – das reicht den umtriebigen Verteidigern immer noch nicht. Nach den bisherigen Planungen soll der Rechtsfachmann, der für das Gutachten verantwortlich ist, im November angehört werden. Danach hat die Kammer bereits Verhandlungstermine bis ins nächste Jahr ins Auge gefasst.
Den vier Angeklagten aus einem Dorf bei Stavenhagen, aus Stavenhagen selbst sowie aus der Nähe von Röbel und aus Schwerin werden bandenmäßiger Drogenhandel und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Der 60-jährige Hauptangeklagte, der auch an der Müritz Immobiliengeschäfte gemacht haben soll, und seine Mitangeklagten im Alter von 40, 50, 60 Jahren, darunter zwei Fahrer präparierter Autos, sollen 2020 als Bande Drogen aus den Niederlanden geholt und damit gehandelt haben. Die Rede ist von bis zu 7,7 Kilogramm Kokain und weiterem Rauschgift.
Sie waren im November 2020 bei einer LKA-Razzia gefasst worden, bei der auch Kokain und große Mengen Bargeld beschlagnahmt wurden. Danach kamen drei der Männer in U-Haft, wurden aber im Verlauf dieses Prozesses gegen Kautionen wieder freigelassen.
Der Fall steht im Zusammenhang mit der spektakulären Daten-Abfangaktion französischer Ermittler, die das Encrochat-Netz knacken konnten. Darüber hatten viele Kriminelle mit bis dahin abhörsicheren Kryptohandys telefoniert und sich gegenseitig informiert.
Ermittler konnten danach europaweit mithören, es laufen etliche solche Prozesse europaweit. Die Verteidiger der Angeklagten in Neubrandenburg bezweifeln aber, dass die Daten aus Frankreich wirklich immer mit ihren Mandanten zu tun hätten. Die Ermittler sind sich dagegen sicher, auch weil sie einige der Männer schon aus anderen Drogen-Verfahren kennen.
Nach Informationen von WsM gibt es bereits Entscheidungen von höheren Gerichten, dass die Encrochat-Daten sicher zugeordnet werden können und auch rechtssicher verwendet werden dürfen. Insofern sind Prozessbeobachter über das sehr zögerliche Vorgehen der Justiz in Neubrandenburg erstaunt.
In einem ähnlichen Verfahren hat das Landgericht Rostock 2021 – ohne so großen Aufwand – fünf andere „Encrochat“-Drogenhändler wegen bandenmäßigen Handels zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und fünf Jahren verurteilt. Diese Rostocker Dealer hatten ebenfalls Verbindungen nach Hamburg und Berlin. Deren Strafen sind schon rechtskräftig.