Jahrelang mit Honecker unterwegs – Ex-Leibwächter in Drewitz
Auch wenn es schon mehr als 27 Jahre her ist, die vielen Staatsjagdgebiete für die DDR-Oberen rund um die Müritz kennen noch einige Menschen. Was dort am Specker Horst, bei Glashütte und in Drewitz damals passierte, davon ist nicht mehr viel bekannt.
Deswegen hat sich die Van der Valk-Naturparkresidenz in Drewitz vorgenommen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und betreibt nebenbei auch privaten Geschichtsunterricht.
Am 23. Oktober wird Bernd Brückner dazu wieder am authentischen Ort erwartet – der “Leibwächter Erich Honeckers“, der ein Buch über seine Zeit als Personenschützer vorgelegt hat. Schon beim ersten Besuch vor kurzem war das Bootshaus des einst führenden Mannes in der DDR randvoll. „Das Interesse war riesengroß“, sagt Restaurantleiterin Ruth Berger.
Brückner war 20 Jahre im Dienst der DDR-Staatssicherheit, davon 13 Jahre im Personenschutz für Erich Honecker. Auf vielen Bildern, die Honecker beim Staatsbesuchen oder den üblichem Maiparade zeigen, steht der damals noch etwas schlankere, sportliche „Bodyguard“ hinter oder neben der DDR-Führungsriege. „Ich wollte eigentlich in die Motorradstaffel“, erzählt der heute 67-Jährige. Das klappte und er avancierte zum Ende sogar zum Kommandeur des Personenschutzes um Honecker. Das Buch habe er geschrieben, weil er es leid hatte, immer Falsches zu hören.
Da blieben Begegnungen und Erfahrungen mit der ganzen Familie nicht aus. „Wir haben aber immer darauf geachtet, nicht zu nah in Familiendinge hineingezogen zu werden“, sagt Brückner. Das gelang – mal mehr mal weniger.
So kann Brückner konstatieren: „Erich Honecker war kein Tourist. Immer, wenn wir mal beispielsweise in Jugoslawien waren und dort vielleicht bekannte Orte wie ‚Sveti Stefan‘ besichtigen wollten, hatte Honecker keine Ruhe.“ Er habe nach politischen Terminen immer zurückgewollt, am besten auf einen seiner Jagdsitze, meist nach Wildfang in die Schorfheide, manchmal auch nach Drewitz.
Enkel hält Leibwächter in Atem
Die größten Probleme bereitete dabei den Personenschützern der 1974 geborene Enkel des DDR-Staatschefs, der nach großen persönlichen Problemen inzwischen als Künstler unter dem Namen Roberto Yáñez Betancourt y Honecker in Chile lebt.
„Der hatte als Kind Hummeln im Hintern und wir mussten ihn immer zurückholen.“ So fuhr Roberto mal unerlaubt mit einem Moped durch die Gegend oder in Drewitz einfach mit einem Motorboot über den See. In Drewitz gab es auch Probleme mit einem Hund, einem Cocker-Spaniel von dem Brückner auch Bilder hat. Dieser hörte nicht und biss den DDR-Staatschef ohne Respekt in den Fuß.
„Da mussten wir den Hund mit in unsere Räume nehmen.“ Als Honecker bei der Jagd einmal eine Pistole verlor, durfte das im Fahndungsbuch nicht dokumentiert werden: „Dort stand dann Maxe Müller.“
Familiär hatten die Sicherheitsleute die meisten Probleme mit Margot und Erich Honeckers Tochter Sonja in Berlin. Diese hatte einen Chilenen in der DDR kennen und lieben gelernt, der aber seinerseits öfter als seiner Frau lieb war auf FDJ-Tagungen war. Unter anderem wegen anderer Frauen. „Da haben unsere Sicherheitsleute sich immer wieder mal die Probleme anhören müssen, so manche Schulter war nass.“ Aber man habe tunlichst vermieden, sich auf eine Seite ziehen zu lassen.
Für Brückner hatte Erich Honecker aber auch eine andere Seite. So drohte Stasichef Erich Mielke bei einer gemeinsamen Fahrt dem Fahrer mal, dass dieser sich wegen zu schnellem Fahrens verantworten soll. Da habe Honecker gesagt, dass dies seine Leute seien und Mielke sich deshalb immer erst an ihn wenden solle.
Überhaupt habe Mielke die Sicherheit meist übertrieben, findet Brückner. So habe allein schon dadurch, dass immer die Autobahn Berlin-Rostock bis zum Kilometer 114,5 bei der illegalen Abfahrt Alt Schwerin gesperrt war, jeder gewusst, dass Honecker nun wieder in Drewitz ist. „Das hätte gar nicht Not getan.“
Und 1988 ist Brückner auch noch besonders in Erinnerung geblieben. Da hätten die Honeckers ihre zwei Jahre alte Enkelin plötzlich verloren. „Und das wäre wohl nicht passiert, wenn sie nicht ins Regierungskrankenhaus gekommen wäre“, sagt Brückner. Denn dort sei es zwar sehr modern gewesen, aber es habe – wegen des Alters der Regierung gar keine Kinderabteilung gegeben.
Der SED-Parteichef sei sehr getroffen gewesen und habe immer wieder das Grab der Enkelin aufgesucht. Auch dort sorgte die Stasi dafür, dass Honecker eine andere Welt erlebte. Immer wenn man dort hinfuhr, stellte jemand eine Kristallvase hin, damit der Staatschef nicht merkte, dass die erste Vase gestohlen worden war.
Das mit dem Krankenhaus habe auch Roberto unwissend bestätigt: Auf der Insel Vilm bei Rügen sei der Junge beim Toben vom Baum gefallen und habe sich einen Arm gebrochen. Er wurde im Krankenhaus Bergen versorgt. „Als er zurückkam sagte er: Das sieht ja aus wie im Museum.“
Honecker im Warener Krankenhaus
An Drewitz hat Brückner sonst keine schlimmen Erinnerungen. Einer der Gäste erzählt auch, dass Honecker einmal ins Warener Klinikum kam, weil dort eine Wunde versorgt werden musste. „Die Sicherheitsleute wurden ohnehin lieber Honecker als Stoph zugeteilt“, weiß Brückner. Wer zu einem der Staatsmänner kam, der musste auch Wild zerlegen können. Die Oberen haben geschossen, den Hirsch zerteilen durften wir, hieß es.
Das konnten nicht alle – ich ja, sagt Brückner. Am Specker Horst bei Dauer-Ministerpräsident Stoph mussten die Wachleute aber auch gärtnern: „Wir durften für Papa wieder umgraben“, hieß es. Dabei waren auch die Äpfel am Baum für die Wachleute tabu: Die soll Stoph sogar gezählt haben.
Am abgerissenen Objekt am Specker Horst erinnert heute wenig an die Staatsjagdzeit, außer die stillgelegten Kanäle, in denen im Sommer die Seerosen blühen. In Drewitz kann man ein bisschen von dem Flair, dass die Staatssicherheit für Honecker einst schaffen ließ, noch heute spüren.
Reservierung: Naturparkresidenz 039927 767-0 / -206
Da ist sie wieder ! …… Sie lebt, die traurige, diktatorische und menschenverachtende Vergangenheit. Ich möchte lieber nicht mehr daran erinnert werden!