Einfach mal Karl Marx guten Tag sagen: Die Freilegung der beiden monumentalen DDR-Fresken zum Thema „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ im Rathaus Neubrandenburg (WsM berichtet) kommt voran – wird aber etwas teurer als anfangs gedacht. Und wer mal einen direkten Eindruck von den Arbeiten bekommen will, kann diese schon besichtigen. Die Verwaltung zieht langsam wieder zurück in das Riesen-Rathaus am Engels-Ring, das früher die Bezirksleitung der SED und den „Rat des Bezirkes“ beherbergte. Der linke Teil „Kampf der Arbeiterklasse“, zu dem ein überdimensionales Karl-Marx-Porträt gehört, ist schon fast vollständig freigelegt und restauriert.
Der andere Teil, der „Sieg der Arbeiterklasse“ genannt wurde, ist auf der rechten Seite des Foyers zu drei Vierteln freigelegt. Dort fällt auf: Die Protagonisten kommen auf der Darstellung einigermaßen freizügig daher. Bei manch einem Betrachter kam schon die Frage auf: Wenn das mit dem „Sieg der Arbeiterklasse“ so gekommen wäre, wie auf diesem Fresko bei Schubert dargestellt, – vielleicht hätten man es sich da nochmal überlegt mit der friedlichen Revolution 1989.
In diesem Fall wäre eine Einordnung der Kunst wichtig – und die soll auch noch kommen, wie eine Stadtsprecherin sagte. Der heute 97 Jahre alte Schubert – von 1965 bis 1988 Chef des Bezirksverbandes Bildender Künstler – hatte die Motive im farbenfrohen Stil italienischer Malkunst 1969 so geschaffen. Anlass war damals das 20-jährige Bestrehen der DDR und der Ausbau Neubrandenburgs zur „sozialistischen Bezirksstadt.“ Scheinbar waren die Vorstellungen vom Kommunismus damals so wie auf dem Bild.
Die Neubrandenburger wussten nach 1990 erst nicht, was sie mit der Kunst im neuen Rathaus machen sollten, und überklebten sie. Zu Jahresbeginn 2023, etwa 33 Jahre später, wurde nach heftiger Debatte ein Entschluss gefasst. Die Fresken im nun sanierten Rathaus werden freigelegt und restauriert und dann in einer Glaskonstruktion so versteckt, dass man sie nur sieht, wenn ein Licht angeschaltet wird.
Die Kosten wurden einst auf 50 000 Euro geschätzt, nun wird das Ganze rund 100 000 Euro kosten, allein 60 000 Euro für den Glaskasten. Das Alles wird aber mit Spenden finanziert, nicht aus Stadtgeldern. Die Fertigstellung wurde gerade nochmal verschoben. Nun sollen Fachleute nochmal genau untersuchen, wie sich so Luft und mögliche Feuchtigkeit in so einem Glaskasten auf die Substanz der inzwischen denkmalgeschützten Fresken auswirken. Insofern bleiben der „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ in Neubrandenburg für alle Besucher vorerst sichtbar.
Schubert, der inzwischen in die Altmark gezogen ist, hatte in der DDR-Zeit auch durchaus kritische Bewertungen des damaligen Gesellschaftssysteme in seinen Bildern versteckt. So musste eine Arbeit, die er zum „Prager Frühling“ 1968 gemalt hatte, in „Auseinandersetzung“ umbenannt werden, sonst hätte sie nicht gezeigt werden dürfen. Die monumentalen Fresken im Neubrandenburger Rathaus – es war damals DDR-Auftragskunst – hätte er später nicht mehr so gemalt, hatte Schubert schon bei den ersten Probefreilegungen 2020 gesagt.