Prozess: 13-Jährige gibt Vergewaltigungs-Lüge zu

17. April 2023

Wohin es führt, wenn Menschen mehr übereinander in sozialen Medien hetzen, statt auch mal miteinander zu reden, um Missverständnisse und Lügen auszuräumen, zeigt derzeit ein Prozess am Landgericht Neubrandenburg. Aus Rache für mehrere angebliche Vergehen wurde am 1. November in der Neubrandenburger Oststadt ein 16-Jähriger ohne Vorwarnung niedergestochen. Das ist auch schon belegt: Der 20-jährige Haupttäter hat das vor Gericht gestanden (WsM berichtete).
„Die Chatverläufe aus den beschlagnahmten Handy bestätigen auch das, was die Angeklagten berichtet haben“, ließ Richterin Daniela Lieschke schon mal durchblicken. Dem 20-Jährigen, seinem etwas größeren, aber erst 18 Jahre alten Bruder und einem 22 Jahre alten Freund werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Nach dem bisherigen Prozessverlauf muss der 20-Jährige mit einer Haftstrafe rechnen – er blieb auch in U-Haft.

Die beiden anderen Angeklagten wurden nach monatelanger U-Haft mit Prozessbeginn wieder freigelassen und dürften wohl mit geringen Strafen davonkommen, ihr Hauptproblem dürfte sein, dass sie die Stiche zugelassen und einen jungen Menschen lebensgefährlich verletzt und ohne Hilfe zurückgelassen haben.

Der Hauptgrund damals: Eine Vergewaltigung, die es gar nicht gegeben hatte. Die 13-jährige damalige Freundin des 20-Jährigen hatte diesem per Chat geschrieben, dass es ihr nicht gut gehen, da sie gerade an ihrem Vergewaltiger vorbeigegangen sei. Was sie damit anrichtet, war der jungen Dame nicht klar. Sie soll auch Freundinnen davon erzählt und sich so interessant gemacht haben. Dass das alles gar nicht stimmte, kam nun vor Gericht endgültig heraus.

Die 13-Jährige beteuerte immer wieder, dass sie nicht gewusst habe, warum sie das gemacht hat. Doch die Gerüchte nahmen ihren Lauf. Wie bei der „stillen Post“ kamen neue Anschuldigungen dazu: So soll der 16-Jährige freizügige Fotos, die ihm eine andere Jugendliche noch als Freundin geschickt hatte, herumgezeigt haben. Diese 16-jährige Ex-Freundin, mit der er wohl Schluss gemacht hatte, soll außerdem in der Clique gefordert haben, sie wolle den Ex-Freund „bluten sehen“. Dass könne sie nicht auf sich sitzen lassen.

Diese Jugendliche stritt das vor Gericht als Zeugin aber ab. Wie andere Zeugen konnte sie sich an vieles angeblich nicht mehr erinnern. Ihr muss man zu Gute halten, dass sie dafür sorgte, dass ihre Mutter Rettungskräfte holte und der Fall dann doch schnell aufgeklärt wurde. Außerdem soll der 16-Jährige, dem immer mehr angedichtet wurde, noch eine andere Jugendliche, die ein Gehproblem hatte, gehänselt haben und so weiter.

Statt irgendwann mit dem Jugendlichen über all das zu reden, beschloss man in der Clique des 20-Jährigen, dass man mit dem 16-Jährigen „mal was klären“ muss. Eine Bekannte schickte über Handy den Standort des 16-Jährigen. Dann ging es los von einem Jugendclub zu der Stelle unter der Hochbrücke, an der es zu der Messerattacke kam. Ohne überhaupt etwas zu reden.

Erst später habe er erfahren, dass das Ganze mit der Vergewaltigung eine Lüge war, sagte der Angeklagte. Von der 13-Jährigen habe er sich nun getrennt. Daran habe ihre Tochter aber noch zu knabbern, sagte die Mutter der beim Lügen ertappten Zeugin. Ihr Verhältnis zu der 13-Jährigen schien aber auch schwierig, denn bei der Anhörung saß ein Anwalt neben dem Mädchen. Bei manchen Äußerungen der Zeugin konnte die Mutter, die im Saal geblieben war, nur den Kopf schütteln.

„Machen Sie das nie wieder, Sie zerstören mit solchen Gerüchten Leben“, sprach Richterin Daniela Lieschke letztlich sehr energisch der jungen Frau ins Gewissen. Es sei ihr nur darum gegangen, von anderen Aufmerksamkeit zu erfahren. Sie sei dafür verantwortlich, dass ein junger Mann fast tot war. Und auch dafür, dass junge Männer mehr als vier Monate in U-Haft waren. Davon zwei Angeklagte wohl unschuldig.

Das Opfer erlitt Stiche an mehreren Körperteilen und überlebte dank Notoperationen damals knapp. Es hat bis heute psychische Probleme. Der Junge tritt im Prozess als Nebenkläger auf. Der Prozess wird am 25. April fortgesetzt. Mit einem Urteil wird im Mai bereits gerechnet, denn die bisherigen Zeugenaussagen entsprachen – wie die Handydaten und die Chatverläufe – den Aussagen der Angeklagten.


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