Schlimmer Selbstjustiz-Fall: Opfer bricht vor Gericht zusammen

10. Dezember 2021

Der Selbstjustiz-Fall von Lärz (WsM berichtet) hatte diesmal mehrere Überraschungen parat. So wurde der geschädigte 39-jährige Mann als Opfer nicht im Gerichtssaal vernommen. Man wollte ihm den Anblick seiner vier Peiniger vom 28. Februar in Lärz nicht zumuten. Es half aber nicht viel. Der Mann brach während seiner Vernehmung zusammen, ein Notarzt musste geholt werden. Am Ende hob die Richterin dann auch noch den Haftbefehl gegen einen Angeklagten – den jungen Freund der 26-jährigen Hauptverdächtigen – etwas überraschend auf.

Der Mann war mehr als 6 Monate in U-Haft und für ihn komme eine Verurteilung eher wegen gefährlicher Körperverletzung – nicht wegen versuchten Mordes – in Betracht, sagte Daniela Lieschke. Hier liege das Strafmaß niedriger, also „nur“ zwischen 6 Monaten und 10 Jahren Haft. Der junge Mann konnte gehen, muss aber wieder erscheinen zum Prozess.

Trotzdem dürfte das Gericht nun deutlich mehr wissen, denn statt des Opfers kam der Leitende Ermittler der Kriminalpolizei länger zu Wort. Und was dieser sagte, brachte viel Licht ins Dunkel des bisherigen Prozesses, bei dem es um versuchten Mord und Freiheitsberaubung geht. (WsM berichtete)

So hatte der 39-jährige Geschädigte bei den Ermittlungen einen der Täter auf einem Lichtbild wiedererkannt. Daraufhin kamen die Ermittlungen besser voran. Etwas später tauchte ein anonymer Brief auf. Nun weiß man, es war eine Tante der Hauptverdächtigen. In ihrer Familie hatte die 26-Jährige mehreren von der „Strafaktion“ im Neubau von Lärz erzählt. So fiel unter anderem der Satz: Der Typ habe noch Glück gehabt, wenn Paul nicht gewesen wäre, wäre es wohl schlimmer ausgegangen.

So soll die 26-Jährige selbst dem Mann an jenem Tag in dessen Wohnung ins Ohr geschnitten und ihn mit einem Hammer traktiert haben. Das war nicht alles, womit der Mann gequält und erniedrigt wurde. So sollen ihm Reinigungsmittel in offene Wunden gegossen worden sein, als er in einer Wanne sitzen musste.

Später habe die Angeklagte  die drei Anderen angestiftet, den Mann zu den „Weißen Häusern“ zu bringen, wo er unter Drogen gesetzt und in einen Bunker gestoßen wurde. Dort sollte er sterben. Was aber nicht gelang.

Davon berichtete die 26-Jährige manchen Bekannten direkt oder in Chats. Dies alles wurde in den Ermittlungen bekannt und führt bis heute dazu, dass die Frau nun die Einzige ist, die noch in U-Haft sitzt. Ihr Motiv: Sie hatte Nacktbilder ihres Jungen auf dem Handy des Opfers gesehen, es war unklar, wann und wo diese herstammten. Auf jeden Fall hatten die Nachbarn öfter Kontakt gehabt, auch beim Grillen.

Der Geschädigte selbst konnte am Gericht nicht soviel beitragen. Der Mann gilt schon länger als gesundheitlich angeschlagen und leidet bis heute an den Folgen des brutalen Überfalls. Deshalb saß der sehr aufgeregte 39-Jährige zur Vernehmung mit einer psychosozialen Begleiterin in einem gesonderten Raum.

Sein Bild wurde per Kamera in den Gerichtssaal übertragen. Die Fragen der Richterin hörte der Geschädigte über Lautsprecher und antwortete. Trotzdem reichte das alles nicht aus: Denn der Mann kippte nach gut 15 Minuten nach hinten auf der Couch weg, reagierte nicht mehr. Ärzte liefen zu dem Raum, und er musste mit einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht werden. Es war schon der zweite gesundheitliche Vorfall bei einer Vernehmung. Nun soll ein Gutachter klären, ob der Mann überhaupt vernehmungsfähig ist. Mit einem Urteil wird erst im Februar 2022 gerechnet.


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