Schreie im Gerichtssaal – Zeugen schildern Eindrücke

23. März 2022

Im Prozess um den Brandanschlag auf eine junge Frau (WsM berichtete) sind jetzt gruselige Details des Vorfalls vom Oktober 2021 in der Neubrandenburger Oststadt bekannt geworden. Im Zeitalter von Smartphones hat eine Geräuschaufnahme und ein zufällig gedrehtes Video der Polizei bei den Ermittlungen geholfen. So berichtete eine 23-jährige Frau, wie sie an jenem Tag ihre Freundin besucht hatte, die in der Nachbarwohnung zu den Geschädigten im fünften Stockwerk wohnte. In dem Prozess gegen den Polizisten am Landgericht Neubrandenburg geht es um versuchten Mord.

Während die junge Mieterin damals gerade Fenster putzte, drehte die Freundin davon ein kurzes Video. Da hörten die beiden plötzlich markerschütternde Schreie. Die kamen aus der Nachbarwohnung. „Wir haben gleich die Polizei angerufen“, sagte die junge Mieterin. Das war exakt 14.18 Uhr, was man vom Video her weiß. Dann braucht die Freundin als Zeugin im Gericht schon starke Nerven, denn eine andere Mieterin im Haus hatte zu der Zeit gerade eine Tonaufnahme per Handy zu laufen. Diese Tonaufnahme, mit TV-Bildschirmton und Gespräch im Vordergrund und plötzlich den Schreien im Hintergrund  ließ die Richterin Daniela Lieschke im Gerichtssaal abspielen.

„Sind das die Schreie?“, fragte sie die Zeugin. Die junge Frau kann nicht antworten, ihr sind die Tränen gekommen, denn diesen Tag wird sie wohl nie vergessen. Durch den Türspion sieht sie dann gegen 14.27 Uhr, wie der Täter die Nachbartür schließt und flieht. Kaum ist er weg, schrillt der Brandmelder. Da rufen beiden jungen Frauen auch gleich die Feuerwehr, weil sie ahnen, dass etwas Schlimmes passiert ist.

In der Zeit hatten weitere Mieterinnen in dem Aufgang die Schreie gehört. Sie sind hochgelaufen und schlagen an die Wohnungstür, wo der Qualm herkommt. Die verletzte Mutter des Brandopfers habe kurz geöffnet, da habe eine der Nachbarinnen sie laut aufgefordert, das Baby herauszugeben. Das tat die geschockte Frau dann auch.

Nachdem die hilfsbereiten Frauen mit dem Baby wieder nach unten gegangen sind, kamen schon die ersten Polizisten. „Ich habe die ältere Frau dann in dem nassen Flur gesehen und angeschrien, sie soll sich sofort nach unten begeben“, sagte ein Beamter. Dann trugen eine Kollegin und er die blutende 33-Jährige mit den schweren Brandverletzungen aus der Wohnung. Fast ihre gesamte Kleidung war verbrannt.

„Nur Spuren verwischen“

Der 56 Jahre alte Angeklagte, der bisher bei der Kriminalpolizist in der Region Rostock arbeitete, hatte am ersten Prozesstag ein Teilgeständnis abgelegt (WsM berichtete). Dabei hatte er berichtet, wie er die damals etwa 28 Jahre alte Neubrandenburgerin per Internet kennenlernte.  Schnell habe man sich zu sexuellen Kontakten getroffen, viel über die junge Frau habe er aber nicht gewusst.

Auch im Prozess hieß es nun, dass die Familie im fünften Geschoss sehr zurückgezogen gelebt hat. Einige Nachbarn hatte die Frauen ganz selten und das Bay noch nie gesehen, obwohl es schon elf Monate dort lebte. Sie sind nicht oft rausgegangen, hieß es.

Der Angeklagte hatte erklärt, dass er mit der Frau im Oktober eigentlich hatte klären wollen, ob er die Vaterschaft anerkenne. Dann sei das Ganze aber „völlig aus dem Ruder gelaufen.“ Einmal habe er an jenem Nachmittag versucht, der schreienden Bekannten den Mund zuzuhalten, was aber scheiterte. Dann will er beide Frauen – aber nur kurz – geschlagen habe.

Das Feuer habe er nur gelegt, um Spuren zu verwischen – etwas was ihm viele nicht glauben. Ob die 33-Jährige und ihr Baby ohne die Hilfe der Nachbarinnen noch leben würde, ist unklar.

Am 29. März soll der Prozess weitergehen.  Die geschädigten Frauen, die von Nebenklageanwälten vertreten werden, sollen Anfang April vor Gericht aussagen.


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