Eine Müritzerin bricht aus dem Alltag aus und entdeckt die Welt

15. Dezember 2019

Vorsicht, dieser Artikel könnte neidisch machen. Aber das soll er gar nicht. Vielmehr möchte die Warenerin Marie Hödl allen jungen Menschen Mut machen, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Die 26-Jährige hat es gemacht und reist seit längerer Zeit durch Amerika – wann sie zurückkehrt ist offen.
„Ich möchte mit meiner Geschichte zeigen, dass Reisen uns weiter bringt, dass man nicht nur interessante Menschen kennenlernt, sondern auch unwahrscheinlich viele Erfahrungen sammelt. Ich bin nicht anders als andere in meinem Alter, aber ich habe es einfach gemacht – meine sieben Sachen zusammengepackt und losgezogen“, berichtet die Müritzerin, die in den letzten Wochen durch Kalifornien getourt ist und heute nach Ecuador fliegt. Dort wird sie auch das Weihnachtsfest verbringen. Fernab von ihrer Familie in Waren.
Was sie bislang erlebt hat, erzählt Marie exklusiv für die Leser von „Wir sind Müritzer“. Das ist ihre Geschichte:

Schon während der Schulzeit habe ich mich immer dafür interessiert, mal ins Ausland zu gehen, sei es ein Austauschprogramm mitzumachen oder einfach nur reisen in den Ferien. Aber die Lebenssituationen haben es aufgrund von Geldmangel, Alter oder Beziehung nicht hergegeben.

Ich gebe es zu – auch unsere Gesellschaft in Deutschland hat mich vom Reisen etwas abgeschreckt. „Du musst doch an deinen Lebenslauf, deine Karriere denken.“ Du willst doch nur reisen gehen, damit du nicht arbeiten musst.“ „Mami und Papi zahlen dir doch alles“,–  nur selten erhielt ich unterstützende Worte und nur wenige Menschen sehen, dass zu solchen Entscheidungen auch viel Mut gehört.

Wenn nicht jetzt, wann dann

Nach dem Abi bin ich nach Rostock gezogen, habe ein FSJ gemacht und danach angefangen zu studieren. Während des letzten Semesters habe ich bereits ein gutes Jobangebot bekommen, so dass ich schon während des Studiums angefangen habe, zu arbeiten. Nach dem Studium ging es dann direkt mit einer Vollzeitstelle weiter. Wann soll ich denn jetzt mal Zeit zum Reisen finden?

Irgendwann ist man in so einem Alltagstrott und roten Faden des Lebens, dass man dort einfach nicht mehr so einfach ‚raus kommt. Während meiner Arbeit in einem Neurologischen Rehazentrum habe ich vor allem gelernt, dass man nichts aufschieben sollte. Dass sich das Leben von einer Sekunde auf die andere ändern kann. Ich wusste, wenn ich es jetzt nicht mache, mache ich es nie und werde es irgendwann bereuen.

Ängstlich, aber entschlossen

Mein Fernweh wurde immer größer und nach dem Motto „ohne Lücke in deinem Lebenslauf hört dein Leben auf“ beschloss ich also, alles zu kündigen und mit dem Backpack loszuziehen. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, an dem ich mich von meiner Familie verabschiedet habe und – den Abschiedsbrief meiner Schwester lesend – alleine im Zug Richtung Berlin saß. Ängstlich, hin und hergerissen von Gefühlen, habe ich mich gefragt, warum ich mir diesen ganzen Mist eigentlich antue und was ich mir dabei denke.
Wenn ich heute an dieses Mädchen zurückdenke, dass sich damals selbst nichts zugetraut und vor vielen Dingen Angst hat, nach dem Motto „das ist nur was für die anderen, aber ich schaffe das nicht“, muss ich heute schon ein bisschen schmunzeln.

Das Reisen hat mich so sehr verändert. Es hat mich selbstbewusst gemacht und ein Stückchen erwachsen. Ich hab gelernt, Risiken einzugehen, Geld für Wesentliches auszugeben und vor allem habe ich gelernt, mein Leben aus einem anderen Blickwinkel schätzen zu lernen. Das erste Land war Kolumbien. Einen Monat bin ich mit meiner Cousine durchs Land gereist, über naturlose Strände, schlafend in Hängematten, schwitzend und von Moskitos zerstochen durch den Amazonas, über Kaffeeplantagen, Nationalparke und Großstädte.
Vor allem war ich jedoch angetan von der Warmherzigkeit und Offenheit der Menschen. Ich habe mich nicht eine Sekunde unsicher gefühlt. Die Kultur der Latinos ist unfassbar, sie sind ein fröhliches und sehr herzliches Volk. Nachdem mich meine Cousine dann nach etwa einem Monat verlassen hat, war ich nun auf mich allein gestellt. Da ging mir schon etwas die Muffe. Mein Englisch war grenzwertig, auf Spanisch konnte ich mir gerade mal einen Kaffee bestellen.

Couchsurfen entdeckt

Zugegeben, ich hatte schon etwas Angst vor dem Alleinsein. Das hat sich aber tatsächlich schnell gegeben. Ich habe auf meiner Reise so viele tolle Menschen kennengelernt, aus allen Ländern und Kulturen. Mein Spanisch und Englisch hat sich extrem verbessert, so dass ich mittlerweile schon in Englisch denke. Das Schöne am Alleinreisen ist, wenn du alleine sein möchtest, kannst du es, ansonsten triffst du aber auch immer Gleichgesinnte, zum Beispiel in Hostels, mit denen du für eine Zeit lang unterwegs sein kannst.

Bald habe ich dann mit Couchsurfen angefangen. Eine Reiseapp, mit der man kostenlos bei lokalen Leuten übernachten kann, gemeinsam Zeit verbringt, deren Kultur, Lebensweise, Familie oder deren nationale Küche kennenlernt. Couchsurfing ist definitiv die beste Sache, die ich auf Reisen mache. Ich habe so viele tolle Kontakte über CS geknüpft. Nach einem Monat in Ecuador, tollen Stränden, Vulkanen und der einen oder anderen Partynacht, bin ich nach Peru. Dort habe ich mit meinem Bruder so viele Berge bestiegen, wir haben wunderschöne antike Städte gesehen und viele Nächte in Nachtbussen verbracht. Peru war defintiv das Land mit den atemberaubensten Landschaften. Es war aber auch unglaublich anstrengend, da das Wandern in den Höhen einen buchstäblich die Luft wegnimmt.

Die Familie kommt zu Besuch

Nach einem fantastischen Monat in Peru bin ich für knapp zwei Monate zurück nach Ecuador, da ich dort mehr Zeit mit meinem Freund und seiner Familie verbringen wollte. Im November letzten Jahres haben wir dann einige Monate zusammen in New York gelebt. Von dort aus bin ich dann nach Mexiko, meine Familie kam mich für knapp zwei Wochen hier besuchen.

Seit vier Monaten bin ich nun in Mexiko, wir haben uns spontan ein Auto gekauft und reisen damit durch Zentralamerika. Größtenteils schlafen wir im Auto oder nutzen Couchsurfing. Momentan sind wir auf dem Weg nach Kalifornien, da wir in den nächsten Monaten einen Roadtrip durch Kalifornien machen wollen. Ich könnte noch sooooo viel schwärmen von den Menschen, der Kultur hier und den Landschaften…. Aber ich denke, das sollten einfach viel mehr Menschen für sich selbst entdecken!

Ich möche meine Erfahrungen teilen und somit anderen die Angst vor dem Reisen nehmen. Vor allem nach der Abizeit. Viele fragen mich natürlich, wie ich mir das alles leisten kann, „Reich heiraten“, antworte ich dann immer. Das ist natürlich eine berechtigte Frage. Finanziell versorge ich mich alleine, jedoch bekomme ich sehr große emotionale Unterstützung von meinen Eltern, was einen natürlich vor allem bei Heimweh weiterhilft.

Man lernt jedoch schnell, günstig zu reisen, das bedeutet jedoch auch, zu verzichten. Jeden Tag ein bequemes Bett, einen frischen Kaffee oder das wöchentliche Sushi-Essen gehen wird dann leider auf Eis gelegt. Minimalismus ist wohl eher der richtige Begriff dafür.
Daran gewöhnt man sich jedoch schnell. Mit einem Tagesbudget von ca 15 bis 20 Euro sollte man jedoch rechnen, das kommt aber natürlich ganz auf die Reiseart und auf das Reiseland an. Je eher man sich mit einfachen Dingen zufrieden gibt, desto günstiger wird es. Zwischendurch findet man jedoch immer ein kleines Jobangebot oder mal ein Volunteer in Hostels, so dass man den Geldbeutel mal ein bisschen auffrischen kann.

Keine Sekunde bereut

Aber das Reisen stellt defintiv auch eine Herausforderung dar. Man muss kontaktfreudig sein…. Und wer es noch nicht ist, wird es auf jeden Fall werden. Man ist ständig auf Achse, alltägliche Dinge werden beim Reisen zu Luxus. Man hat kein richtiges zu Hause, keinen Rückzugsort. Man lebt aus seinem Rucksack, ständig muss alles ein- und ausgepackt werden. Die Zeitverschiebung erlaubt es nicht, ständig in Kontakt mit Familien und Freunden zu sein.

Kleine emotionale Krisen und Ausbrüche gibt es da natürlich auch. Ständig neue Leute, immer das gleiche Gequatsche. Schlafmangel, Geldmangel, Hygienemangel. Eine warme Dusche oder eine saubere Toilette zu finden, steigert mittlerweile meinen Glückshormonhaushalt. Hier und da kommt natürlich auch mal Heimweh auf, da ist es wichtig, tolle Leute um sich zu haben.

Es ist ein großer Schritt, sich dazu zu entscheiden und es gehört viel Mut dazu, das will ich nicht bestreiten. Aber es lohnt sich defintiv! Ihr macht Erfahrungen, die euch niemand im Leben mehr nehmen kann, Ihr lernt so viele neue tolle Leute kennen, knüpft Freundschaften auf der ganzen Welt und vor allem aber lernt Ihr Euch selber kennen. Ich bereue keine Sekunde, dass ich mich dafür entschieden habe und ich würde es immer wieder machen. Wenn Ihr mit dem Gedanken spielt, springt über Euren Schatten und fangt einfach an!“

Wer Marie auf Instagram folgen möchte, findet sie unter (mariehodl).

„Wir sind Müritzer“ bleibt auf jeden Fall mit der jungen Warenerin in Verbindung, wünscht ihr in Ecuador schöne Weihnachten und einen tollen Jahreswechsel.

Hier eine Bildergalerie von Marie, anklicken erwünscht:

 


2 Antworten zu “Eine Müritzerin bricht aus dem Alltag aus und entdeckt die Welt”

  1. Tumla sagt:

    Ich kann mich Marie nur anschließen und finde es toll, dass du, Marie, die Schönheit der Welt, der Menschen und dich selbst entdeckst. Außerdem möchte ich aber auch “Ältere“ animieren, einmal aus dem Alltag auszubrechen und nicht nur für 2-3 Wochen, sondern für längere Zeit ins Ausland zu gehen-egal ob 30, 50, 70 Jahre alt, ob mit Reisepartner oder allein! Ich habe in meiner Auslandszeit einige reisende Ü-50er getroffen, die den Schritt gewagt haben und – obwohl sie Zuhause vieles (-auch die Sicherheit-) aufgegeben haben, mehr dazugewonnen, als verloren haben. Eine Frau, 54 Jahre alt, hatte nie Zeit (Kinder, Hof, Ehemann, Arbeit, pflegebedürftige Angehörige). 2014 hat sie sich ein halbes Jahr von der Arbeit freistellen lassen, ihr Mann hat ihr den jahrzehntelangen Traum erfüllt und ihr versprochen, auf alles in Deutschland aufzupassen. Damit wurde es der alltagsmüden, aber abenteuerlustigen Frau ermöglicht, die Welt auf eigene Faust zu entdecken. Es ist also keine Frage des Alters. Trauen Sie sich, Sie werden nicht alleine sein ;)
    Ich wünsche allen Müritzern und Gästen eine gesegnete Weihnachtszeit!

  2. Evi Petersen sagt:

    Hallo, mit großem Interesse habe ich die Reisebeschreibung gelesen. Wir kommen aus dem Landkreis Müritz.
    JA, auf jeden Fall, sollte man sein Leben so ausrichten, wie man es möchte. Wenn man jung und ungebunden ist, hat man die Zeit zum Reisen. Bei uns ist es etwas anders, wir sind über 60J, auch wieder ungebunden und leben 6 Monate in Andalusien. Von dort sind wir oft in Portugal, machen Kreuzfahrten und lernen die Welt kennen. Nun sind wir gerade aus den USA zurück, haben Miami kennengelernt und eine Karibik Kreuzfahrt gemacht. Die Erinnerungen bleiben für den Rest des Lebens. Ich möchte hier meine Generation ansprechen. Wir haben es uns einfach verdient, das Leben noch einmal in vollen Zügen zu genießen. Es ist an der Zeit auch mal an sich selber zu denken!! Das Leben in Andalusien ist bei Weitem nicht so teuer, wie manch einer denkt. Man bedenke, man spart im kalten DE sehr viel ein. Wir haben jetzt fasst Weihnachten und bisher noch nie unsere Heizung benutzt. Bleibt alle gesund und wunderschöne Weihnachten