Spendenaktion von Müritzern: Ein Wechselbad der Gefühle

27. Juli 2021

Es war eine spontane Aktion, aber sie hat für richtig viel Aufmerksamkeit gesorgt und eine Riesen-Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst: Janto Böhme, zu Hause in Torgelow am See, hatte aufgerufen, für die Opfer in den Flutgebieten zu spenden. Ursprünglich wollte er in seinem Urlaub nur mit einem Transporter ‚runter‘ fahren, doch letztendlich machte er sich mit einem 40-Tonner auf den Weg, und selbst der hat noch nicht ausgereicht. Nach ein paar Schwierigkeiten sind die Spenden der Müritzer auch dort angekommen, wo sie dringend gebraucht werden (WsM berichtete). Janto hat uns zu seinen Erlebnissen einen persönlichen Bericht geschrieben, den wir hier gerne veröffentlichen:

„Durch Telefonate mit Verwandten wusste ich von der Ernsthaftigkeit der Lage in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Kurzentschlossen startete ich in einer Facebook Gruppe den Spendenaufruf, der sich nach kurzer Zeit zur logistischen Herausforderung entwickelte.

Vom ursprünglichen Plan, beim Besuch der Familie ein paar Spenden mitzunehmen, bin ich noch gleich am Montag abgewichen. Habe einen Transporter und Anhänger organisiert – im Glauben. „Der wird hundert pro reichen“, doch die Müritzer haben mich am Mittwoch Mittag eines Besseren belehrt, und auch Transporter mit Anhänger wurden zu klein.

Es musste noch einmal was größeres her, ein 40-Tonner sollte die Erlösung sein.

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Chef Helmut Klawunn, bedanken, der ohne zu zögern die Sattelzugmaschine gesponsert hat, sowie bei KP Logistik Stavenhagen, von denen der Auflieger ausgeliehen wurde.

Am Donnerstagvormittag war es dann soweit. Das Verpacken und Verladen begann beim Gartencenter Bergmann in Waren. Stundenlang waren etwa zwei dutzend Helfer und Angestellte damit beschäftigt, die ganzen Spenden zu sortieren und zu verpacken. Der Chef persönlich verlud dann die Paletten auf den Lkw. Unbeirrt davon, dass der Wagen nun groß genug sein sollte, war der Platz am Ende ziemlich rar. Und in Malchow musste gestapelt werden.

Nach dem Video mehr als 200 Anrufe

Nach einer letzten Stärkung im Tierheim ging es dann los Richtung Nordrhein-Westfalen – Ziel: Altenahr. Doch zu früh gefreut, kurz nach der Abfahrt dann die Ernüchterung, das Zielgebiet wird vorsorglich geräumt. Ich habe während der Fahrt ein paar Telefonate geführt, um eine neue Stelle aufzutun und mich in Leverkusen anzumelden. Dort hat man bereits gewartet, und die ersten Spenden konnten gegen 5 Uhr in der früh abgegeben werden.

Das Bild, was sich uns bot – ein einziges Grauen. Hab ich noch nie gesehen, und möchte ich auch nicht wirklich wieder sehen.

Das Telefonat mit Marcus Wipperfürth brachte dann Erlösung. Ich sollte ihm ein Video schicken, mit dem Hinweis, dass wir keine Abladestelle haben. Er setzte meine Telefonnummer mit rein, und die Hilfsangebote nahmen keinen Abriss.
Im Sekundentakt klingelte mein Handy.

Doch wo nun hin? Viele Angebote waren schlichtweg Blödsinn. So sollten wir in Orte fahren, zu denen keine Straße mehr führt, oder nur ein Waldweg. Bis dann der rettende Anruf aus Bad Neuenahr kam, führte ich rund 200 Telefonate. Der Weg dorthin, eine wunderschöne Landschaft, traumhafte Ausblicke und engste Straßen machten aus der Fahrt ein kleines Abenteuer. Doch schon kurz hinter dem Ortsschild hatte man erste Hinweise darauf, was hier geschehen sein muss. Alles verstaubt, überall dreckige und ramponierte Autos, entlang der Hauptstraße türmen sich das Hab und Gut der Anwohner Meter hoch. Am Sammelpunkt angekommen, freute man sich, dass wir es geschafft hatten.

Containerweise Unrat und Müll

Nach ein paar Minuten sollte es dann beginnen. Wir durften Eure Spenden endlich da abgeben, wo sie benötigt werden. Mit einer Menschenkette begannen wir, die Spenden aus Malchow ins Zelt zu bringen, bis wir dann mit Gabelstaplern die 30 Paletten aus Waren abladen konnten.

Etwa 40 Helfer kamen, um gleich alles wegzuräumen, doch sie kamen nicht wirklich hinterher. Zu groß die Spendenflut, die von hier kam. Die kleinen Grüße wurden gelesen, und an der Seite aufbewahrt, das Wasser kam teilweise direkt zur Weiterverarbeitung in die Küche und die Nudeln von der Firma Möwe auch. Der Rest wurde im Ausgabezelt sortiert, und wartet nun darauf, mit kleinen Fahrzeugen in die entlegenen Orte gebracht zu werden.

Es war ein Gefühl von Freude, Erleichterung, aber auch ganz viel Sorge machte sich breit. Wie muss es hier nur aussehen, dass man sich darüber so freuen kann?

Nach dem Entladen haben wir uns das Ganze angesehen, um auch zu gucken, wo bzw. wie wir helfen können. Die Menschen dort hatten bereits die unteren Etagen komplett geräumt. Keller schienen leer, und Generatoren standen vor mehreren Häusern und betrieben Pumpen. Feuerwehr, THW und Landwirte schafften den gestapelten Unrat containerweise aus dem Ort und türmen an mehreren Stellen diesen wieder auf. Viele Details, die ich hier nicht erwähnten möchte, lassen einem einen Schauer über den Rücken gehen. Dort ist noch so viel Arbeit, dass es Jahre dauern wird, bis alles wirklich wieder normal läuft.

Ich möchte aus Anstand und Respekt auch nicht alles (be)schreiben, was wir da gesehen haben.

Unser Angebot, auch selbst noch anzupacken, wurde dankbar angenommen, aber mit dem Hinweis auf das Wetter in den nächsten Tagen abgelehnt. Ich denke, in dieser Situation macht es dann mehr Sinn, das Gebiet zu verlassen, um nicht auch eventuell selbst zum Opfer zu werden.

Für mich persönlich steht aber fest: Das war nicht die letzte Hilfsaktion!

Doch die riesengroße Spendenaktion wäre niemals möglich gewesen ohne ein paar ganz wichtige Leute:

Claudia Bergmann mit ihrem gesamten Team.

Das Team um Frau Kuhlmann vom Tierheim Malchow

Mein Chef Helmut Klawunn

Das Unternehmen KP Logistik

Sandro Baaken, ohne ihn wäre die Fahrt nur halb so lustig gewesen und doppelt so anstrengend.

Und mein allergrößter Dank geht an jeden einzelnen, der gespendet hat, ganz gleich wieviel, denn jede Spende zählt.
Ohne Euch alle, wäre das Auto leer gewesen.

Ich fasse immer noch nicht, dass IHR es geschafft habt, dieses große Auto voll zu bekommen. Unfassbar!“

Und noch eine wichtige Information von „Wir sind Müritzer“: Janto hat für den Kraftstoff und die Maut insgesamt 775 Euro gespendet bekommen. Doch sein Chef  Helmut Klawunn hat auch diese Kosten übernommen. Janto hat die 775 Euro – aufgerundet auf 800 Euro – gespendet, und zwar dem Warener Innenstadtverein, der am Wochenende während der „Langen Einkaufsnacht“ ebenfalls Spenden gesammelt hat–  für das sark betroffene Dorf Dernau (Bilder unten).


6 Antworten zu “Spendenaktion von Müritzern: Ein Wechselbad der Gefühle”

  1. AB sagt:

    Eine tolle Aktion! Hochachtung für die Initiatoren, Organisatoren, Helfer und Spender.

  2. Warener Jung sagt:

    Ganz, ganz großes Dankeschön an Helmut Klawunn, an alle Helfer und Spender. Trotzdem möchte ich hier erwähnen, was für einen armseligen Eindruck unsere Politik hinterlässt ! Frau Merkel ruft die deutsche Bevölkerung zum Spenden auf,
    gleichzeitig verteilt sie zig Milliarden Euro Entwicklungshilfe an sogenannte Entwicklungsländer (unter anderem bekommt
    China ca. 430 Mio. Euro Entwicklungshilfe von Deutschland). Unsere eigenen Landsleute werden mit Almosen abgespeist. Diese Politik ist an Frechheit und Dreistigkeit nicht zu überbieten.

  3. Marion Körner sagt:

    Das war eine super tolle Aktion meine Hochachtung !!!!

  4. Wilfried Böhme sagt:

    Ich bin einfach nur stolz auf meinen Sohn, stolz darauf, dass er diese seine Idee so gut umsetzen konnte, dank der großen Hilfe seines Chefs und all der Menschen hier in der Müritzregion. Danke, mein Sohn?

  5. Susanne Oppermann sagt:

    Der Warener Jung hat ja so Recht!!!
    Trotzdem natürlich eine tolle Aktion!!!?

  6. Gaby sagt:

    Ich freue mich total, daß ich durch einen Anruf bei Dir auch das TH in Malchow mit in’s „Boot“ holen konnte. Denn auch die Tiere sind Opfer dieser Naturkatastrophe geworden. Auf Margret Kuhlmann und Team ist Verlaß. Das Einladen war für mich sehr emotional. Danke Janto, beim nächsten Mal gerne wieder dabei ?