Prozess um Beleidigung von Christian Drosten: Gibt’s eine Strafe für die Bezeichnung als „Massenmörder?“

13. März 2024

Der Zeuge und Betroffene, Christian Drosten, kam gestern nicht ins Warener Amtsgericht. Musste er auch nicht. Dafür aber zwei Frauen und ein Mann, die beschuldigt werden, den bekannten Virologen im Sommer 2022 auf einem Campingplatz bei Wesenberg am Ellbogensee unter anderem beleidigt, verleumdet und genötigt zu haben, und das zum Teil in Anwesenheit des vierjährigen Sohnes von Christian Drosten (WsM berichtete). Die drei Angeklagten hatten jeweils einen Anwalt an ihrer Seite. Die sorgten noch vor der Anklageverlesung durch Oberstaatsanwalt Tim Wischmann für mehrere Unterbrechungen. Fast wäre es gar nicht erst zur Anklageverlesung gekommen. Unter anderem, weil der Verteidiger des 49-Jährigen, dem die meisten Vergehen vorgeworfen werden, einen Befangenheitsantrag gegen Richter Roland Träger gestellt hatte, ihn schließlich aber wieder zurückzog.
Ein Bericht aus dem Gerichtssaal.

Wie erwartet, war das Medien-Interesse am gestrigen Prozessauftakt groß, die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang des Amtsgerichtes dementsprechend hoch. Die Journalisten kamen nicht nur aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch von überregionalen Medien, der Fall hatte nach dem ersten Bericht darüber auf „Wir sind Müritzer“ deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Und ausgerechnet der Anwalt des Mannes, der besonders aggressiv aufgetreten sein soll, hat erst wenige Stunden vordem erfahren, dass er den Angeklagten am Dienstag in Waren vertreten soll. Das hinderte den sehr gestresst, aber von sich überzeugt wirkenden Juristen Mirko Röder aus Berlin jedoch nicht, gleich ordentlich loszulegen. Er hielt an einem zuvor gestellten Befangenheitsantrag gegen den dagegen sehr gelassen und ruhig wirkenden Richter Roland Träger fest.

Der Anwalt der 51-jährigen angeklagten Frau, Matthias Tüxen, schloss sich diesem Antrag an. Der juristische Beistand der jüngsten Angeklagten, Gregor Samimi, sah dagegen keinen Grund für eine Befangenheit. Ohnehin schien er von Anfang an derjenige zu sein, der nicht auf Konfrontation zum Gericht ging, sondern die „Angelegenheit“ gemeinsam mit Richter und Oberstaatsanwalt aus der Welt schaffen wollte.

Artikel von „Wir sind Müritzer“ spielt eine Rolle

Doch warum überhaupt ein Befangenheitsantrag? Das blieb bis nach der ersten Auszeit unklar, Oberstaatsanwalt Wischmann klärte dann auf. Zum einen monierten die Juristen einen Pressebericht, in dem eine Sprecherin des Gerichtes angeblich Details zum Prozess genannt haben soll, in dem aber eigentlich nur stand, dass zunächst zwei Prozesstage geplant seien. Eine Mitteilung, die nicht einmal vom Richter selbst gegeben wurde, aber nach Meinung des Oberstaatsanwaltes generell nicht zu beanstanden sei.

Zum anderen ging es um Unterlagen. Und zwar um Briefe eines Mannes, der auch an viele Medien geschrieben hat, dass Christian Drosten seinen Doktor-Titel zu unrecht trage. Auch „Wir sind Müritzer“ hatte Post von dem Herren. Diese Unterlagen seien nicht an die Anwälte weitergeleitet, sondern den Akten zugeordnet worden. Ein übliches Unterfangen, meint Tim Wichmann, aber für die Anwälte des 49-Jährigen eben ein Grund für einen Befangenheitsantrag. Letztendlich nahm Mirko Röder den Antrag zurück. Allerdings verbunden mit der Hoffnung, dass Christian Drosten seinen Strafantrag doch noch zurückzieht. Ja, er verlangte sogar vom Richter, sich in dieser Sache mit dem Anwalt von Drosten in Verbindung zu setzen und zu „verständigen“, was Träger aber ablehnte.

Was wird den drei Angeklagten konkret vorgeworfen? Ein 49-Jähriger, eine 51-Jährige und eine deutlich jüngere Frau, die ihre persönlichen Daten nicht öffentlich nennen wollte, gehörten zu den Gästen einen Campingplatzes am Ellbogensee. So, wie auch der Virologe Christian Drosten mit seiner Familie. Das war im Juni 2022. Zur Corona-Zeit also, als viele Menschen die Nase von Maske & Co gestrichen voll hatten und Entspannung nicht im Ausland, sondern in der Umgebung suchten.Wie eben auf dem idyllisch gelegenen Zeltplatz. 

Vierjähriger Sohn verstört

Der 49-Jährige erkannte Drosten irgendwann und soll ihn laut Oberstaatsanwalt Wischmann fotografiert und das Foto in einer öffentlich zugänglichen Telegram-Gruppe veröffentlicht haben. Die Gruppe hatte zu der Zeit 250 Mitglieder, und die konnten die Bilder auch teilen und speichern. Am späten Abend, der Virologe war mit seinem vierjährigen Sohn auf dem Weg zurück zum Zelt, sprach er ihn an und bezeichnete ihn laut Anklage unter anderem als größten Verbrecher aller Zeiten, als Massenmörder und Transhumanisten. Das ganze ziemlich lautstark. Zudem meinte er, dass er nicht berechtigt sei, sich auf dem Zeltplatz aufzuhalten.

Christian Drosten ließ sich davon offenbar nicht beeindrucken und blieb. Einen Tag später sagte dann die 51 Jahre alte Angeklagte zu ihm, dass er ein Verbrecher sei, weil er durch die Maskenpflicht Kinder auf dem Gewissen habe. Drosten erwiderte, dass sein kleiner Sohn ziemlich verstört sei, weil der 49-Jährige ihn zuvor als Massenmörder bezeichnet habe und meinte, dass sein Vater ins Gefängnis gehöre. Zudem, so Oberstaatsanwalt Wischmann, habe es Äußerungen gegeben, wonach Drosten den Doktor-Titel zu Unrecht trage und auch kein Professor sei.

Irgendwann war es dem Virologen dann wohl doch zu viel, er rief die Polizei. Nichtsdestotrotz seien Bilder von ihm veröffentlicht worden. Auch der erste Artikel zu den Vorfällen auf dem Campingplatz auf „Wir sind Müritzer“ spielt in der Anklageschrift eine Rolle. Den soll der 49-Jährige mit ebenfalls unschönen Bemerkungen geteilt haben. 

Einstellung wegen Geringfügigkeit?

Während sich der 49-Jährige und die 51-Jährige gestern im Prozess nicht äußern wollten – auch nicht über ihre Anwälte – ließ die jüngste Angeklagte ihren Anwalt zu den Vorwürfen sprechen. Und der zitierte aus einem Beschluss des Landgerichtes Neubrandenburg, wonach die Durchsuchung ihrer Wohnung und die Beschlagnahmung ihres Handys in diesem Fall unverhältnismäßig gewesen seien. Sogar eine Entschädigung habe sie bekommen. Christian Drosten selbst habe die jüngste Angeklagte, die unter anderem ein Gespräch mitgeschnitten und veröffentlicht haben soll, entlastet. 

Letztendlich ließ Richter Roland Träger durchklingen, dass er sich zumindest bei den beiden Frauen eine Einstellung wegen Geringfügigkeit vorstellen könne, auch, weil sie wegen der zahlreichen Medienberichte schon mächtig gelitten hätten. 

Wie es jetzt weiter geht, ist offen: Erfüllt der Virologe die Hoffnung der Anwälte und zieht den Strafantrag zurück, gibt es eine Mediation oder stellt Richter Roland Träger die Verfahren wegen Geringfügigkeit ein?

Der nächste Gerichtstermin ist für den kommenden Dienstag angesetzt. Dann kommt eventuell auch Zeuge und Betroffener Christian Drosten ins Warener Amtsgericht.


Eine Antwort zu “Prozess um Beleidigung von Christian Drosten: Gibt’s eine Strafe für die Bezeichnung als „Massenmörder?“”

  1. S.R. sagt:

    Im Berliner Tagesspiegel wird auch darüber berichtet und sogar (Vor) Namen genannt…

    Na ich hoffe doch sehr, dass das zumindest für den beleidigenden Herrn eine wie auch immer geartete Strafe nach sich zieht.
    Beleidigungen, Belästigungen und Anpöbeln, verbunden mit dem Verbreiten von privaten Fotos – wenn das straffrei ausgeht oder wegen „Geringfügigkeit eingestellt“ wird – was wirft das für ein Bild auf unser Rechtssystem und auf eine Urlaubsregion, die so sehr vom Tourismus abhängt!?

    Man kann zu Herrn Drosten ja persönlich stehen wie man will (meiner Meinung nach sicher einer der kompetentesten Virologen – und das nicht nur während der Pandemie!), aber gefallen lassen muss er sich deswegen noch lange nicht alles.

    Wie wäre es denn – als Strafe für den Angeklagten – mit sozial zu leistender Arbeit in einem Pflegeheim oder einer anders gearteten medizinischen Einrichtung als Lernhilfe? Ist aber wahrscheinlich wegen „Unfähigkeit mangels Basiswissen“ o.ä. des Angeklagten sinnlos…