„Abenteuerliche Sorglosigkeit“: Rettungsassistent verurteilt

25. November 2014

Pro2Mit einem Paukenschlag ist heute der Prozess gegen einen Rettungsassistenten aus der Müritz-Region wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu Ende gegangen. So wurde am Schluss nicht nur ein Urteil gefällt, sondern auch zwei neue Strafanträge eingereicht.

Vor etwa einem Jahr brachte der Angeklagte eine erkrankte Seniorin mit dem Rettungswagen ins Klinikum Plau am See und verunglückte. Die Patientin starb, ein Rettungsassistent im Auto und ein Notarzt erlitten schwere Verletzungen, der Notarzt ist nach wie vor auf den Rollstuhl angewiesen.

Ein Unfallursachenermittler der DEKRA gab heute eindrucksvoll den Ablauf des Unfallhergangs wieder und ein Rechtsmediziner schilderte die todesursächlichen Verletzungen der verstorbenen Patientin. Warum der Rettungswagen von der Straße abkam und gegen zwei Bäume prallte, konnte nicht vollends geklärt werden. Lediglich Sturm und Schneeglätte können als Unfallursache ausgeschlossen werden.

PRO1Der Rettungswagen kam laut Gutachten der DEKRA mit 104 km/h von der Straße ab, fuhr dann genau 6,7 Sekunden, also 147 Meter, bis zum ersten Aufprall am Baum. Während dieser 6,7 Sekunden hat der Fahrer keinerlei Reaktionen gezeigt. Die Aussage des Fahrers wurde durch das Gericht als unglaubwürdig bezeichnet. Es kam noch schlimmer. Der vorsitzende Richter machte deutlich, dass der Rettungsassistent, der mit dem Notarzt bei der Patientin saß, eine uneidliche Falschaussage vor Gericht gemacht habe. Er habe nämlich behauptet, der Notarzt und er selbst hätten kurz vor der Kollision mit den Bäumen auf ihren Sitzen gesessen.
Der Rettungsassistent wird sich jetzt wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage verantworten müssen. Eine entsprechende Strafanzeige soll noch heute gestellt werden.

In der weiteren Urteilsbegründung ging der Richter auf die Rechtslage von Fahrten mit Sonder- und Wegerechten ein. Der Rettungswagen fuhr an der Unfallstelle mit 104 km/h statt der erlaubten 70 km/h. Zwar fuhr der Rettungswagen mit Blaulicht, allerdings ohne Martinshorn. Ohne Martinshorn muss sich der Fahrer an die Straßenverkehrsregeln halten, wie jeder andere auch. Er hat unter der Fahrt ohne Martinshorn lediglich ein Sonderrecht, kein Wegerecht. Er war also mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs, so der Richter.

Anzeige gegen Rotes Kreuz und Landkreis

Die Nebenklage wirft dem DRK und dem Landkreis ebenso die Schuld an dem Unfall vor. Laut Anwalt der Nebenklage, hätte ein Ausbilder den damaligen Praktikanten begleiten müssen – auch während der Fahrt. Seitens des DRK wurden sämtliche Vorschriften nicht eingehalten, so die Nebenklage. Am Nachmittag erstattete der Rechtsanwalt der Nebenklage Strafanzeige gegen den DRK-Geschäftsführer Uwe Jahn. Gleichzeitig wurde Zivilklage gegen den Landkreis eingereicht.

Am Mittag forderte die Staatsanwalt, eine Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung eine Gesamtstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro zu verhängen.

Pro4Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den heutigen Rettungsassistenten zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro. Außerdem muss der Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen. In der Urteilsbegründung ging der Richter nochmals auf die vorherrschende Wetterlage ein, machte aber gleichzeitig deutlich, dass diese nicht ursächlich für den Unfall war.
Er warf dem Zeugen vor, absichtlich falsch ausgesagt zu haben, um den Fahrer zu schützen. Aufgrund der bemerkenswerten Spurenlage sei eine Verurteilung dennoch schwierig. Der Richter: „Es war eine abenteuerliche Sorglosigkeit, wie Sie gehandelt haben. Sie hätten die Fahrt mit der Patientin erst antreten dürfen, nachdem Sie sich vergewissert haben, dass alle an Bord befindlichen Personen gesichert sind.“

Schuldmildernd wirkte sich allerdings aus, dass der Fahrer natürlich die Absicht hatte, die in Lebensgefahr schwebende Patientin schnellstmöglich ins Klinikum zu transportieren. Das Gericht machte ebenfalls deutlich, dass die Patientin nicht verstorben wären, wenn der Unfall nicht passiert wäre. „Dieser Unfall ist Ursache menschlichen Versagens“ sagte der vorsitzende Richter Jacobsen. Auch die mangelnde Erfahrung spreche eher für den Angeklagten, so das Gericht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Text und Fotos: Susan Ebel

Pro3


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