Wohl zu viel Actionfilm a la „Alarm für Cobra 11“ geguckt? – Mit einer wahrhaft skurrilen Geschichte hat ein Angeklagter vor Gericht versucht, um eine Freiheitsstrafe wegen einer filmreifen Verfolgungsjagd herumzukommen. Doch es wurde nichts. Richter Gerald Fleckenstein – erfahren im Umgang mit Autodieben, die Fahrzeuge aus MV und anderen Bundesländern Richtung Polen schmuggeln wollen – ließ sich nicht beeindrucken. „Was Sie getan haben, das war sehr waghalsig und hochgefährlich“, resümierte der Richter am Amtsgericht Pasewalk nach zwei Stunden. Und ging mit seinem Strafmaß noch über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus.
Doch von vorn:
Im Januar 2022 hielt sich der 37-jährige Mann aus Westpommern in Berlin auf. Er sagte, ein Bekannter habe ihn per Internet „gebucht“, damit der gelernte Innenausbauer auf einer Baustelle in Berlin Arbeiten übernimmt. Wie der Bekannte heiße, wisse er nicht mehr. Jedenfalls sei er angereist, aber der „Bekannte“ kam nicht. So habe er vier Tage auf einem Bahnhof in Berlin gewartet. Wie der Bahnhof heiße, wisse er auch nicht, da er kein Deutsch spreche.
Aber lesen könnten sie doch, sagte der Richter, Der Angeklagte schüttelte den Kopf. Da er kein Geld gehabt habe, habe er Flaschen gesammelt und abgegeben, um zu überleben. Wo, das wisse er aber nicht mehr. Nach dem Warten wollte er unbedingt wieder zurück nach Polen. Da stand – rein zufällig – ein Auto, ein SUV von Ford, mit laufendem Motor in Berlin-Mitte.
Da habe er sich reingesetzt und sei losgefahren. Später kam heraus, dass der Mann noch nie eine Fahrerlaubnis gehabt hat und das Auto aufgebrochen wurde. Der 37-Jährige sagte, er habe im Dunklen bis zur polnischen Grenze bei Pomellen fahren und dort das Auto abstellen wollen, nur damit er nach Hause zurückkomme.
Doch so einfach war das natürlich nicht. Der Besitzer bemerkte den Diebstahl. Und meldete es. Schnell fiel der Wagen abends bei wenig Verkehr auf der A11 zwischen Berlin und der Uckermark auf. Es kam zur Verfolgung. „Da fuhren schon vier bis fünf Polizeiwagen hinterher“, sagte ein Beamter, der als Zeuge geladen war, und ab Finowfurt den Dieb zu stoppen versuchte. Es sollte fast 70 Kilometer bis nach Vorpommern dauern, bis das klappte.
Von Warnitz bis Penkun rammte der polnische Fahrer mehrfach die Polizeiwagen, schlängelte sich zwischen Streifenwagen und Zivilautos hindurch, ohne Rücksicht auf Andere. Das ging so lange gut, bis er bei Penkun die Kontrolle über den SUV verlor, gegen die Mittelleitplanke prallte, nach rechts durch den Wildzaun auf einen Acker schleuderte. Der Wagen blieb stecken, der Fahrer flüchtete, wurde aber gefasst und trotz heftiger Gegenwehr festgenommen.
Obwohl einer der Polizisten vor Gericht verdeutlichte, dass man bei so einer Verfolgungsjagd auch mal überlegt, ob die Gefahr das Ganze wirklich wert ist, zeigte der Angeklagte keine Reue. Er habe nur „so komisch gelenkt, weil die Lenkung geklemmt habe“, ließ er ausrichten.
In dem gestohlenen Auto an der Beifahrerseite wurden auch polnische Kennzeichen und ein Aufbruchwerkzeug gefunden. Dafür hatte der Mann „keine Erklärung.“ Allerdings hatte der Richter dafür eine: Sie sind nur nach Berlin gegangen, um ein Auto zu stehlen, sagte der Jurist. Der Mann habe Geld zusätzlich besorgen wollen. Die Geschichte des Angeklagte zeuge von viel Phantasie, aber wenig Realismus.
Fleckenstein sprach den Mann wegen Diebstahls im schwerem Fall, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Angriff auf Vollzugsbeamte und Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig. „Sie haben mit allen Mittel und zu jedem Preis versucht, den Wagen nach Polen zu bringen“.
Zwei Jahre und acht Monate muss der Autodieb in Haft gehen. Vier Monate mehr als die Staatsanwältin verlangt hatte. Der Verteidiger hatte eineinhalb Jahre Haftstrafe verlangt. Sicher ist auch: Der Haftbefehl gegen den Verurteilten bleibt wegen Fluchtgefahr auch bestehen, falls der Mann doch noch Rechtsmittel einlegt. Er hat ja schon einmal versucht, wegzulaufen. Und eine ladefähige Adresse in Stettin hatte er auch nicht vorzuweisen.









Daumen hoch für dieses Urteil .
Der Teufel soll ja ‚mal versucht haben, seine Großmutter zu erschlagen. Diese hatte aber eine gute Ausrede – im Gegensatz zum Angeklagten. Wenn einer so spinnt, müsste es noch eine Zusatzstrafe geben. Vor Gericht sollte man schon Respekt zeigen, ansonsten – „betreutes Wohnen“!