Erfolgreiche Integration von vietnamesischen Pflegekräften

6. September 2023

Die Universitätsmedizin Rostock wagte vor fünf Jahren einen neuen Weg zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Pflegebereich. Aus Vietnam wurden 20 fertig ausgebildete Pflegekräfte an die Ostseeküste geholt. Das Projekt wurde ein Erfolg – nicht nur für die Universitätsmedizin, für manche Pflegekräfte kam neben der beruflichen Perspektive auch privates Glück dazu.

Im September 2018 kam die heute 26-jährige Vietnamesin Do Anh Tu nach Rostock, um an der Universitätsmedizin eine Krankenpflege-Ausbildung zu beginnen. Es war ein Sprung in eine völlig andere Welt. Nun sitzt Do im Café vor dem neuen Notfallzentrum der Universitätsmedizin, neben ihr die ein Jahr ältere Nguyen Thi Tam, sie haben ihre einjährigen Söhne Max und Leon auf dem Schoß.  Beide haben vor fünf Jahren eine große Entscheidung getroffen. In wenigen Tagen schließt sich für Do ein Kreis in ihrem Leben. Denn sie erwartet ihre Schwester Do Huong Thao. Sie wird Teil des nunmehr sechsten Ausbildungsgangs für vietnamesische Pflegekräfte sein.

Keine fixe Idee

Mit mehreren Monaten Vorlauf startete 2018 die Universitätsmedizin Rostock das inzwischen von Erfolg gekrönte Projekt zur Beschäftigung von vietnamesischen Pflegekräften. Hintergrund war der akute Personalmangel, der die Klinik immer öfter in schwierige Situationen brachte. Eine Besserung zeichnete sich wegen der demografischen Entwicklung auf lange Zeit nicht ab und ist auch weiter nicht in Sicht. Zunächst kamen 20 junge Frauen und Männer aus dem südostasiatischen Land, seither folgten in vier Ausbildungsjahrgängen 91 weitere. „Das war vor fünf Jahren nicht einfach eine fixe Idee“, sagt Pflegevorstand Annett Laban. Doch der Erfolg an der Klinik stehe nicht für sich alleine. „Auch die Integration unserer neuen Mitarbeiter kommt gut voran. Wie Do und Nguyen zeigen, wurden Ehen geschlossen und Kinder geboren.“

Für Do Anh Tu und Nguyen Thi Tam ist völlig klar: „Die Sprache ist das A und O des Erfolgs.“ Zwischen Rostock und ihrer Heimat liegt nicht nur eine Distanz von weit mehr als 8000 Kilometern, auch die Lebenswelten könnten kaum unterschiedlicher sein. „Entsprechend schwer war der Anfang“, erinnert sich Nguyen. Das Heimweh sei groß gewesen. Wegen der Corona-Pandemie gab es für die beiden bisher allerdings nur einmal die Gelegenheit, ihre Familien in der Heimat zu besuchen.

Die beiden jungen Mütter hatten schon in Vietnam eine Krankenpflege-Ausbildung erfolgreich absolviert. „Doch dort hatten wir kaum eine Chance gehabt, in der Pflege zu arbeiten“, berichten sie. Es gebe zu viele Pflegekräfte, und der Verdienst mit der harten Arbeit in 24-Stunden-Schichten sei sehr gering. Genau zur richtigen Zeit sei die Information über das Rostocker Projekt gekommen. Nach einer intensiven Sprachschulung ging es dann im September vor fünf Jahren an die Ostsee – und zu einer regulären dreijährigen Krankenpflege-Ausbildung.

Dass die Ausbildung in ihrer Heimat in Deutschland nicht anerkannt wurde, ist für die beiden, die inzwischen gut deutsch sprechen, durchaus nachzuvollziehen. Zu unterschiedlich sind die klinischen Tätigkeiten. Denn in Vietnam seien die Angehörigen der Patienten eng in deren Pflege eingebunden, macht Do einen der zentralen Unterschiede deutlich. Damit entfielen beispielsweise das Waschen, Pflegen und Ankleiden der Patienten durch das Klinikpersonal. Auch lägen manchmal 10 bis 15 Patienten in einem Krankenzimmer. „Wenn dann noch die Familien da sind, herrschen Zustände, die in einem deutschen Krankenhaus unvorstellbar sind“, sagt Nguyen.

Deutlich weniger Bewerbungen

Die Zahlen der Universitätsmedizin für den Personaltransfer aus Vietnam sind beeindruckend. Der dritte Jahrgang hat nun seine Prüfungen beendet. Von den bislang 68 Vietnamesinnen und Vietnamesen, die inzwischen examiniert sind, sind 52 noch an der Uniklinik. „Mal war es das Heimweh, mal eine Liebe außerhalb Rostocks“, erklärt Caren Erdmann, Referentin des Pflegevorstands, den Weggang der anderen.

Von großer Bedeutung für das Leben der Asiaten ist die in Rostock seit der DDR-Zeit fest etablierte vietnamesische Community. So gebe es im Stadtteil Lichtenhagen ein buddhistisches Meditationszentrum, auch Sportvereine könnten wichtige Anker für die neuen Pflegekräfte sein. Laban wünscht sich dennoch, dass die Integration in die deutsche Gesellschaft weiter voranschreitet. „Es zeigt sich, dass viele der Vietnamesen eher unter sich bleiben wollen.“

Die Pflegekräfte des künftigen sechsten Jahrgangs werden in Kürze erwartet. Klar sei aber auch, dass der Fachkräftemangel an der Unimedizin Rostock durch die Vietnamesen alleine nicht behoben werden kann. „Wir bieten jährlich 100 Ausbildungsplätze an“, sagt Laban. Früher kamen dafür 2000 bis 3000 Bewerbungen, im vergangenen Jahr waren es noch 300 und in diesem Jahr nur 200.

Bild: Do Anh Tu (v. l.)  mit ihrem Sohn Max und Nguyen Thi Tam mit ihrem Sohn Leon vor der Universitätsmedizin Rostock

Foto: Universitätsmedizin Rostock


3 Antworten zu “Erfolgreiche Integration von vietnamesischen Pflegekräften”

  1. ABC sagt:

    Na dann ist ja alles gut. Vielleicht kann man bei den Lehrern, Ärzten und was sonst an Fachkräften fehlt da auch nachziehen.

    In Berlin kannte ich eine Dame (Engländerin), die hier Englisch unterrichtete. Die sagte mir auf deutsch, es kotzt sie an, dass sie in ihrer Heimat als Engländerin nur noch zu indischen Ärzten gehen kann. (Glaube nicht, dass das Wort Ausländerfeindlichkeit bei ihr gezogen hätte, da stand sie drüber.) Die englischen Ärzte hätten sich darauf verlegt, eher wohlhabende Menschen zu behandeln. Und selbige können dann ja auch englischen Krankenschwestern ein anständiges Gehalt und gute Bedingungen bieten.

    Es ist sehr wichtig, dass wir Milliardensummen in den Krieg pumpen, damit wir mit Sicherheit kein Geld für die Pflege übrig haben. Die Aktionäre werden dabei noch reicher und rechte Parteien mächtiger. Nur weiter so.

    Für die jungen Frauen aus Vietnam hoffe ich, dass sie glücklich sind und dass es sich für sie dauerhaft lohnt, dieses doch große Opfer erbracht zu haben. Denn eine Heimat zu haben, eine Familie, wo man dazugehört, das ist auch nicht zu verachten. Und das bissel Geld, das sie hier verdienen ist ja schnell ausgegeben, vor allem, wenn man seine Lieben daheim auch mal besuchen möchte. Man kann dankbar sein, dass es solche Leute gibt.

    Die Renitenz unserer Politiker gegenüber Verbesserungen für den Pflegeberuf ist ein Skandal!

  2. Möwe sagt:

    Wo bleibt die Ausbildung der heimischen Jugend und Umschulung der arbeitslosen Bürger. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Es kann nicht zur Problemlösung beitragen billige Arbeitskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren.

  3. Stefan sagt:

    Liebe/r ABC,

    erst müsste der Gesundheitssektor komplett verstaatlicht werden.
    Die Gehälter bestimmt der jeweilige Arbeitgeber.
    Egal ob es die Diakonie, die Helios Gruppe, oder Herr XY ist.
    Es ist also völlig unnötig mit Geldern, welche für andere Zwecke genutzt werden, zu argumentieren.

    Die Bereitschaft, einen Pflegeberuf zu erlernen, ist in den letzten zurückgegangen.
    Daran sind auch wir als Gesellschaft schuld.
    Es ist eine Art Teufelskreis.
    Ohne ausreichend Kollegen werden die Mitarbeiter kaputt gespielt und wer will schon so einen Beruf.
    Wir können daher für jeden Arbeitnehmer, egal woher er kommt, in dieser Branche dankbar sein.
    Mir ist es völlig gleich, ob mein Arzt aus Syrien, Nepal, oder Irland kommt. Gleiches gilt auch für jede Pflegekraft.
    Leider ist unsere aktuelle politische Lage – damit meine ich den Umfrageanstieg der blau-braunen Fraktion – für viele Fachkräfte aus dem Ausland ein Ausschlusskriterium für uns als Land zum Arbeiten und Leben.

    Im Übrigen gibt es auch im Pflegebereich Mitarbeiter mit einem guten Einkommen.
    Es ist oftmals eine Frage des Einsatzgebietes, der Region und vor allem des Arbeitgebers.