Flüchtlinge im engen Laderaum – Freiheitsstrafen für Schleuser

3. Mai 2022

Am Ende blieben die Fußfesseln im Gerichtssaal dran: Das Amtsgericht Pasewalk hat vier Tunesier wegen gemeinschaftlichen Einschleusens von Ausländern jeweils zu mehr als zweieinhalb Jahren hinter Gittern verurteilt. „Die Männer sind arbeitsteilig vorgegangen und wussten – entgegen anderer Aussagen – sehr genau, wie viele Menschen ohne Belüftung im Laderaum waren“, sagte Richter Gerald Fleckenstein in der Begründung am Montag. Die Haftbefehle gegen die Vier blieben bestehen, zu groß sei die Fluchtgefahr der Verurteilten.
17 Flüchtlinge, zwei Frauen und 15 Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren aus Syrien und Ägypten, hatte das Quartett im Oktober 2021 über rund 1000 Kilometer von Belarus nach Mecklenburg-Vorpommern gebracht (WsM berichtete). Der Prozess, der in einem großen Saal in Neubrandenburg stattfand, warf ein Schlaglicht darauf, wie Schleuserkriminalität funktioniert, nämlich  in internationaler Arbeitsteilung.

So war ein 35-Jähriger, der aus Frankreich nach Deutschland und dann nach Polen gereist war, der Mann, bei dem die Fäden zusammenliefen. Hintermänner aus der Türkei hätten ihn angerufen, sagte der 35-Jährige vor Gericht. Er habe einen „großen Fehler begangen“ und wolle „so etwas auch nie wieder tun.“ Nun müsse seine kleine Tochter in Frankreich ohne ihren Vater aufwachsen, klagte der Mann.

Für eine Summe zwischen 500 und 1500 Euro pro Fahrt sollte der Organisator Männer holen, die die Schleusungen abwickeln. Gesagt und getan: Im Oktober 2021 hatte er drei Tunesier aus Frankreich als Komplizen nach Warschau bestellt. Der 35-Jährige und ein Bekannter saßen in einem „Pilotfahrzeuge“ – einem Alfa Romeo mit polnischem Kennzeichen  – und fuhren voraus. Falls Polizei auftauchte, wurden die beiden anderen im Transporter gewarnt.

Im Transporter-Laderaum mit 1,7 Meter Breite und 2,50 Metern Länge wurden in einem Waldstück an der Grenze zu Weißrussland die 17 Frauen und Männer „eingeladen.“ “Diese Menschen wollten nicht in der Kälte im Wald bleiben”, meinte einer der Schleuser. Insofern habe er auch Mitleid gehabt und deshalb mitgemacht.

Menschen wie Vieh in Transporter gepresst

Das nahm ihm der Richter aber nicht ab: Einzig das viele Geld habe bei den Schleusern eine Rolle gespielt, sagte der wenig beeindruckte Richter Fleckenstein. Nach der gültigen Rechtsprechung des BGH handele es sich um eine erniedrigende, unmenschliche Behandlung, wenn Menschen wie Vieh oder Stückgut in einen Transporter gepresst und ohne Sicherung und ausreichend Wasser transportiert werden.

Der 35-.jährige Hauptverantwortliche war schon das zweite Mal auf der Belarus-Route unterwegs, wie er sagte. Die Anderen wollen jeweils zum ersten Mal mitgemacht haben, es waren aber schon weitere „Touren“ geplant, wie herauskam. Doch nun sind die Männer schon seit ein paar Monaten in U-Haft, denn sie wurden im Oktober 2021 von der Bundespolizei bei Penkun gefasst. Ein Schleuser flüchtete, konnte aber später in Schwerin festgenommen werden.

Die U-Haft sei länger als in anderen Ländern und habe zum Teil bereits abschreckende Wirkung gehabt, sagte der Staatsanwalt. Mit den Strafen – zwei Jahre und neun Monate für die beiden Hauptorganisatoren und zwei Jahre und sieben Monate für die beiden Komplizen und Fahrer des Transporters – blieb das Gericht aber noch um rund ein Jahr unter den Forderungen des  Staatsanwaltes. Dieser hatte höhere Strafen aus „generalpräventiver Sicht gefordert – einfacher gesagt: Zur Abschreckung für diese Männer und andere Leute, die sich mit solchen Schleuser-Gedanken tragen.


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