Keine geregelte Arbeit, aber Geldnot, Drogen, rohe Gewalt und Geltungsdrang sind eine gefährliche Mischung. Das wurde jetzt im Prozess gegen die „Smoker Boys“ aus Waren am Landgericht Neubrandenburg deutlich. Die „Gang“, die 2019 gegründet wurde und auch ein richtiges Statut mit zweifelhaften Regeln hatte, existierte nur gut ein Jahr, dann war sie den Ermittlern bereits bekannt. Nun – gut ein Jahr nach der Großrazzia im Herbst 2020 in Waren – hat das Landgericht die Urteile gegen die beiden führenden Köpfe gesprochen. Die Strafen sind „nicht ohne.“
Der 34 Jahre alte Michael K. – der sich „Präsident“ nannte – erhielt sechs Jahre und einen Monat Haftstrafe, sein „Vizepräsident“ Mario S. (42) fünf Jahre und neun Monate Gefängnis. Sie wurden wegen schweren Bandendiebstahls, Körperverletzung und erpresserischen Menschenraubs verurteilt. Dass das Landgericht letztlich den Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ wieder fallen ließ, fiel da fast gar nicht mehr ins Gewicht. Für diesen Status gelten nämlich inzwischen strengere Regeln. Und die sah Richter Henning Kolf nicht als erfüllt an.
Denn letztlich gab es laut Anklage nur einen Punkt, der vollkommen gemeinschaftlich begangen wurde: Der Einbruch bei einem Fleischer in Wolgast, wo ein Tresor gestohlen wurde. Hier waren aber „nur 260 Euro drin.“
Ansonsten hat wohl jeder der etwa neun Mitglieder der Truppe weitgehend seine eigenen Taten verübt, oder man disziplinierte sich untereinander, oder „zockte sich untereinander ab.“
„Alle haben versucht, über die Gemeinschaft individuelle Vorteile zu ziehen“, sagte Kolf. Dabei hatte man sich strenge Regeln gegeben. So musste man regelmäßig einzahlen und es gab eine Satzung, die festlegte: „Wir sind eine Familie, das Wichtigste ist Gehorsam, Keine Alleingänge, wer zu spät kommt, zahlt 25 Euro. „Wenn einer der ‚First five‘ spricht, herrscht Ruhe. Und bei Zusammenkünften sind die Handys – wie bei der Mafia – beim ‚Secretary‘ abzugeben.“
Trotzdem oder weil das so war, wollten manche Mitglieder nicht mehr mitmachen. Eigentlich waren die meisten ohnehin wohl dabei, weil man zu viel Zeit hatte und um billiger an Drogen zu gelangen, hieß es vom Gericht.
Doch einfach bei den „Smoker Boys“ austreten, ging nicht. Zum Teil hatte man sich mit einem Zahlencode tätowiert. Angebliche Schulden wurden rabiat eingetrieben. So wurde einer der Männer in Waren in Bahnhofsnähe zwei Tage in einem Keller eines Mehrfamilienhauses gesperrt, gefesselt und mehrfach geschlagen und getreten. Ob die Angeklagten auch wirklich mit ihm in ein Waldstück fuhren, wo der Mann ein Loch, angeblich sein eigenes Grab, ausheben musste, blieb unklar. So war es aber angeklagt.
Einem anderen Abtrünnigen erging es ähnlich. Dieser wurde ebenfalls misshandelt, musste für die Bande zwei Handyverträge auf seinen Namen abschließen und die Smartphones natürlich den Bandenchefs übergeben. Die Opfer sollten vor Gericht aussagen, die meisten aber sagten lieber nichts, auch weil zum Teil Verfahren gegen sie laufen. Der Prozess konnte aber relativ zügig abgeschlossen werden, weil die Führungskräfte Geständnisse abgelegt haben.
Denn sie wussten schon ganz gut, wie der Hase vor Gericht läuft. Ihre Vorstrafenlisten sind enorm lang, auch einschlägige Taten wie Raub oder Körperverletzung sowie BTM-Handel gehören dazu. So war der „Präsident“ mal bei einem Pizzalieferanten an der Müritz tätig. Als Fahrer brachte er Pizza nach Torgelow zum Gymnasium. Dort lagen zufällig zwei Laptops, die er gleich mal „mitnahm.“ Der 42-Jährige war bereits 2015 wegen Bandendiebstahl verurteilt worden: Damals wurde in Häuser, auch in Waren, und ein Bürogebäude in Neubrandenburg eingebrochen, wobei auch Münzsammlungen gestohlen wurden. Auch ein Einbruch bei den Müritzfischern ging auf sein Konto, da erbeutete er zwar nichts, wurde aber gefilmt.
Angesichts der enormen Vorstrafen war den Verteidigern schon klar, dass es diesmal eine längere Haftstrafe werden wird. Über eine bestimmte Strafhöhe hatte man sich auch im Vorfeld schon verständigt, deshalb gab es auch die Geständnisse. Am Ende wollte der „Präsident“ nach 13 Monaten U-Haft trotzdem noch über Weihnachten freikommen. Denn er habe einen kleinen Sohn, den er schon lange nicht gesehen habe, sagte sein Anwalt. Dem folgte das Landgericht lieber nicht.









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