Mit 22 Jahren das erste Mal sozialversicherungspflichtig in Arbeit
Jessica Berend ist 22 Jahre alt und hat seit dem 1. Juni das erste Mal eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gefunden. Sie arbeitet in Teilzeit als Küchenhilfe im Neubrandenburger Wieckhaus 45. Die Arbeit macht ihr dort sehr viel Spaß, die Zusammenarbeit mit den Kollegen klappt prima, und sie freut sich darüber, dass sie zumindest nicht mehr komplett auf die Leistungen des Jobcenters angewiesen ist.
Ohne die Unterstützung des Jobcenters Mecklenburgische Seenplatte-Süd allerdings wäre sie nicht da, wo sie jetzt ist.
Ihre Geschichte:
Seit 2017 ist die junge Frau arbeitslos, hatte nur wenige kurze Jobs auf Nebenverdienstbasis und nahm an einigen Kursen zur Aktivierung und Verbesserung der Integrationschancen in den Arbeitsmarkt teil – alles ohne Erfolg. Es galt zunächst, private Probleme zu lösen und das Selbstbewusstsein zu stärken. Sie war unselbstständig, schüchtern, zurückhaltend, ruhig und unsicher.
Jessica war nicht die Beste in der Schule. Das Lernen viel ihr schwer und so wechselte sie ab der 7. Klasse in eine Produktionsschule und machte dort ihren Hauptschulabschluss. Hier gefiel es ihr besser, denn neben den für den Abschluss wichtigen Schulfächern wurde hier bereits parallel zum Unterricht gearbeitet. Und arbeiten – das konnte sie; das fiel ihr deutlich leichter, als auf der Schulbank zu sitzen.
Ihre Lernprobleme haben auch dazu geführt, dass sie ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin nach neun Monaten abbrach.
Im Oktober 2019 zog Jessica zusammen mit ihrem Freund aus dem Demminer Raum nach Neubrandenburg. Die abgebrochene Berufsausbildung und fehlende Berufserfahrung waren schlechte Startbedingungen, um hier in der Stadt eine Arbeit zu finden. Durch ihr zurückhaltendes Wesen isolierte sie sich eher, als auf Menschen zuzugehen. Sie hatte regelrecht Angst, den neuen Anforderungen nicht gerecht zu werden.
Mehr Selbstbewusstsein durch Einzelcoaching
Um die Integration auf den 1. Arbeitsmarkt zu unterstützen, nahm sie von Dezember 2019 bis Mai 2020 an der Aktivierungsmaßnahme „Netzwerk Arbeit“ teil. Während der Teilnahme absolvierte sie ein Praktikum als Küchenhilfe in einem Wirtshaus. Leider kam es hier zu keiner Einstellung. Ein weiteres Praktikum als Zimmermädchen in einem Hotel brach Jessica nach zwei Tagen ab – es war nicht das Richtige für sie.
Die Corona-Pandemie führte dann im weiteren Verlauf dazu, dass die Maßnahme überwiegend online stattfand. Das war für Jessica, die eher praktisch veranlagt ist, nicht optimal. Ein Jahr später startete Jessica dann gemeinsam mit dem Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte-Süd einen Neuanfang in der gleichnamigen Aktivierungsmaßnahme beim hiesigen Bildungsträger „Dekra“.
Das Besondere an dieser Maßnahme war die weitgehende Begleitung im Rahmen eines Einzelcoachings. Während der Teilnahme am Projekt konnte eine Steigerung des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls erreicht werden. Hauptthemen in der Zusammenarbeit waren Gesundheitsfürsorge, gesunde Ernährung und körperliche Aktivierung. Durch regelmäßige Motivation gelang es Jessica, einen Zuwachs an sozialen Kompetenzen zu erreichen. Ihre privaten Probleme konnten bearbeitet werden, und die körperliche Aktivierung wirkte sich insgesamt motivierend aus und führte sowohl zu körperlicher als auch mentaler Entwicklung.
Jessica sagt in der Rückschau selbst, dass sie durch die intensive Betreuung durch die Mitarbeiter im Rahmen der Maßnahme „Neuanfang“ ein positives Lebensgefühl bekommen hat. Sie ist aktiver, selbstbewusster und selbstbestimmter geworden. Ihr Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten hat sich gestärkt. Sie hat ihre Scheu, auf Menschen zuzugehen, verloren.
In dieser Zeit absolvierte Jessica zwei Praktika als Küchenhilfe. Während sie sich im ersten Praktikum nicht ausreichend angeleitet fühlte, machte ihr das zweite Praktikum im Neubrandenburger Wiekhaus 45 deutlich mehr Spaß. Die Arbeit gefiel ihr, das Team und die sozialen Kontakte zu den Mitarbeitern motivierten sie so, dass sie begann, diesem Arbeitsfeld für sich den Vorzug zu geben.
Die Chemie stimmte ganz offensichtlich auch zwischen Praktikumsbetrieb und ihr, denn aufgrund der positiven Entwicklung begann Jessica am 6. Januar dort eine Nebentätigkeit als Küchenhilfe.
Und jetzt ist sie dort nach fünf Monaten das erste Mal in ihrem Berufsleben sozialversicherungspflichtig tätig – zunächst in Teilzeit – und hofft, dass ihre Arbeitszeit nach und nach erhöht werden kann, damit sie finanziell unabhängiger wird.
Hm, früher gab es ‚mal das Recht auf Arbeit. Zweitens: Da die jetzige, ganz junge Generation vielleicht bis zum Alter von 70 oder 75 Jahren arbeiten muss, und deren Kinder dann vielleicht bis 80, was sind schon die paar Jährchen, die o.g. Jessica noch zu Hause war? Der Ernst des Lebens kommt früh genug.
Es ist erstaunlich, dass man nie etwas liest von den verlotterten Sprösslingen mancher Banken- oder Firmenchefs, die sich von einem Studiengang zum nächsten hangeln, im Partysumpf versinken, und nicht im Traum an Arbeit denken. Oder sie haben ein hochkarätiges Studium, sind dann aber dem Arbeitsdruck in der Realität nicht gewachsen.
Die Stigmatisierung von Menschen, die auf das Jobcenter angewiesen sind, muss aufhören.