Mord an Anwältin: „Die Familie hat meine Träume kaputt gemacht“

31. Juli 2018

Waren die Schüsse auf die Warener Anwältin ein kaltblütiger Mord oder ein Totschlag im Streit? Diese Frage wird seit heute am Landgericht Neubrandenburg eingehend erörtert. Dabei ist die Schwurgerichtskammer schon einen entscheidenden Schritt vorangekommen: Der 80-jährige Siegfried B. hat ein umfassendes Geständnis abgelegt. Das macht die Entscheidung für das Gericht aber nicht einfacher. Dem schlimmen Vorfall ging nämlich eine 19 Jahre lange Auseinandersetzung um Geld voraus, in der der Ehemann des Opfers ein vermutlich unrühmliche Rolle spielte.
„Der Alte hat das ganze Geld verzockt“, soll die Anwältin von ihrem damaligen Ehemann gesagt haben, wie die Kinder vor Gericht erklärten. Vor Gericht wird der Ehemann nicht erscheinen, er ist inzwischen dement und nicht mehr vernehmungsfähig, wie es in Gutachten hieß.

Was war passiert? 1999 wollte der Ehemann der Anwältin – in der DDR als Leiter bei einem Großhandel tätig – groß ins Handelsgeschäft mit Russland einsteigen. Er gründete eine West-Ost-Handels GmbH. Um eine „Zweikomponenten-Spritzmaschine“ zu importieren, borgte er sich bei Siegfried B. 130 000 D-Mark. Gemeinsam fuhren die Männer im großen Auto der Anwältin nach Luxemburg, wo der heutige Angeklagte sein Geld bei einer Bank angelegt hatte. Später fuhren sie noch zweimal.

„Ich hatte mein Leben lang viel Geld gespart und wollte mir eigentlich endlich ein Haus bauen“, sagte der Angeklagte vor Gericht zu seinen Sparbemühungen. Doch die Bekanntschaft mit dem Ex-Großhändler kostete den Senior viel Geld. Unter etlichen Vorwänden lieh sich der Gatte der Anwältin knapp 95 000 Euro, kam mit den „Geschäften“ aber nie in Gang, zahlte aber auch nie etwas zurück. Es kam zum Streit.

„Ich hatte schon Depressionen“, erläuterte der Angeklagte, dessen rechte Hand seit Jahrzehnten nur noch einen Finger hat, vor Gericht. Die Familie der Anwältin habe alle seine Träume kaputt gemacht. Er sei suizidgefährdet und auch in Behandlung bei einem Psychotherapeuten gewesen.

Schließlich endete der Streit vor Gericht, der heute 80-Jährige gewann den Zivilprozess schon 2014, aber bekam bis 2018 immer noch kein Geld von der Familie. Die Kinder betonten vor Gericht, dass sie erst nach dem Zivilprozess davon erfuhren.

Man habe zusammenlegen wollen, um das Geld abzuzahlen, aber die Anwältin und Mutter habe davon nichts wissen wollen. „Mit Mutter war kein Reden“, sagte eines der Kinder. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie Angst vor ihm hatte“, erklärte die Tochter. Im Nachhinein wurde bekannt, dass das Paar in Trennung lebte und die Juristin ihren Mann wegen der Betrügereien auch enterbt hatte. Das Haus in einem Dorf an der Müritz sollte wegen der Schulden verkauft werden.

Dazu kam es nicht mehr. Alle Nachfragen nutzten nichts, so dass der Rentner am 1. Februar zu der Kanzlei ging. Die Pistole, die er sich in Tschechien gekauft habe, habe er mitgenommen, weil er das immer getan habe, wenn er irgendwohin ging, wo er sich nicht sicher fühlte.
Nach kurzer Zeit sei das „Rededuell“ aber eskaliert. Dabei sei ihm die Pistole aus der linken Jackentasche gefallen. Er habe sie aufgehoben.

Nach kurzer Zeit sei die Anwältin aufgestanden. Sie habe verlangt, dass er sofort gehe, ihn als „geldgieriges Scheusal“ bezeichnet, das der Familie schon genug Ärger bereitet habe. Zudem habe sie ihn mit einem Locher angreifen wollen. Da habe er geschossen, weil er sich bedroht gefühlt habe. Einzelheiten wisse er aber nicht mehr.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord aus Heimtücke vor. Er soll der Anwältin erst in den Hals und dann am Boden liegend zweimal in den Kopf geschossen haben. Dazu wird aber noch eine Gutachterin gehört.

Der Angeklagte flüchtete damals. Er hatte sich schon vorher auch gedemütigt gefühlt, weil der „Großhändler“ ihm sogar verboten hatte, die Anwältin nochmal aufzusuchen, da sie den Anblick seiner verkrüppelten Hand nicht ertragen könne.

Der Schütze fuhr nach der Tat – während ein Großaufgebot der Polizei Waren absuchte – mit dem Stadtbus in die Westsiedlung, ging in ein Wäldchen, wo er die Pistole versteckte und dann nach Hause. Er wurde aber noch am Tatabend in seiner Wohnung gefasst.

Zeugenhinweise und Aussagen von Angehörigen des Opfers führten zu dem allein lebenden Mann. In der Wohnung fanden die Ermittler weitere rund 200 000 Euro. Der 80-Jährige erklärte; er habe ein Haus für rund 350 000 bis 400 000 Euro bauen wollen, deshalb habe ihn der Verlust der 95 000 Euro so geärgert.

Der Prozess wird am 6. August fortgesetzt und soll nach bisheriger Planung am 28. August enden.

Auf Mord steht „lebenslänglich“, auf Totschlag bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe.


2 Antworten zu “Mord an Anwältin: „Die Familie hat meine Träume kaputt gemacht“”

  1. Karl May sagt:

    Was eine Räuberpistole.

  2. Petzibaer sagt:

    Irgendwie alles sehr gruselig und skurril. Ein Rentner, der in der Platte wohnt, sechsstellige Geldbeträge besitzt, zur Bank nach Luxemburg ???????? fährt.
    Geldgier auf allen Seiten, die ins Verderben geführt hat.
    Was hätte sich der Rentner für einen schönen Lebensabend bereiten können… Jetzt ist ein Leben zerstört und der Täter wird seinen Lebensabend hinter schwedischen Gardinen verbringen müssen.