Neuer AWO-Chef: Wir sind auf dem richtigen Weg aus der Krise

28. November 2018

Seit mehr als zwei Jahren gibt’s von der AWO Müritz fast nur negative Schlagzeilen. Ausgelöst von den ehemaligen Verantwortlichen Peter Oljinyk und Götz-Peter Lohmann. Doch seit dieser Zeit leiden unter diesem öffentlichen Druck nicht unbedingt diejenigen, die dieses Dilemma verschuldet haben, sondern rund 650 Mitarbeiter, die Tag für Tag einen tollen Job machen – egal ob in der Verwaltung, in der Altenpflege oder in der Kinder-Betreuung.

Diese Mitarbeiter trotz der schwierigen Situation zu motivieren, ihnen wieder mehr Selbstvertrauen und auch Stolz auf den Job zu geben, will Stephan Arnstadt. Er ist seit gut einem Jahr neuer Geschäftsführer und versucht – ganz ohne Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit – die AWO und ihre Mitarbeiter wieder auf Kurs zu bringen.
„Wir sind Müritzer“ hat mit dem neuen Geschäftsführer gesprochen und ist auf einen Warener gestoßen, der nicht in der ersten Reihe in der Öffentlichkeit stehen will und muss, sondern zuallererst „seine“ Leute im Blick hat.

Unser Interview:

Herr Arnstadt, Sie sind jetzt seit gut einem Jahr Geschäftsführer der AWO Müritz. Haben Sie den Schritt, dieses von Skandalen gebeutelte Unternehmen in einer schwierigen Phase zu übernehmen, in den vergangenen 12 Monaten jemals bereut?

Bereut – nein, ich habe den damaligen Entscheidungsträgern gern angeboten mitzuhelfen, insofern war es eine bewusste Entscheidung, zu der ich auch heute stehe. Aber zugegeben, es gab auch einige schwierige Momente und so manche schlaflose Nacht. Dennoch, meine Kollegen bei der AWO Müritz und die uns anvertrauten jungen und älteren Menschen sind jede Mühe wert. Auch wenn wir Vieles noch besser machen wollen und müssen, ich bin stolz und dankbar auf diesem Weg mit dabei sein zu dürfen.

Was viele nicht wissen: Sie wohnen und leben seit vielen Jahren in Waren. Macht Ihnen die Tatsache, dass Sie an der Müritz viele Menschen kennen, die Arbeit leichter oder eher schwerer?

Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Wenn ich an die Unterstützung denke, die wir als AWO Müritz von unseren Partnern aus dem öffentlichen, gewerblichen und privaten Bereichen in den letzten Monaten erhalten haben, dann glaube ich, dass es eher hilfreich ist, regional verwurzelt zu sein. Insofern möchte ich die Gelegenheit gern nutzen und mich bei allen Unterstützern ganz herzlich bedanken.

Penzliner Pflegeheim verkauft

Was waren die ersten Maßnahmen, die Sie als Geschäftsführer ergriffen haben, um die AWO Müritz in ruhiges Fahrwasser zu bekommen?

Ich habe mir einen ersten Überblick verschafft, die Probleme nach Dringlichkeit geordnet, versucht, die akutesten Problemlagen einer Lösung zuzuführen und mitgewirkt, unter Einbindung interner und externer Fachkräfte, einen Zukunftsplan zu erarbeiten. Das hört sich so einfach an, war aber eine riesen Herausforderung für alle Beteiligten.

Was zählte in den vergangenen Monaten zu den schwierigsten Entscheidungen, die Sie als Geschäftsführer treffen mussten?

Für mich persönlich sind das immer nicht abwendbare personelle Einzelentscheidungen. Ferner beenden wir nicht wirklich gern unser Engagement in einigen Angebotsbereichen. Leider ist es aber so, dass wir im Veränderungsprozess nicht für alle Problemlagen genügend Zeit zur Verfügung haben, um auch alternative Lösungsansätze ausgiebig verfolgen zu können. Wirklich schwierig ist also, möglichst gute Lösungen in begrenzten „Zeitfenstern“ zu finden.

Muss und wird es weitere Einschnitte geben?

Das hängt davon ab, wie gut die bisher geplanten Veränderungsmaßnahmen tatsächlich inhaltlich und terminlich greifen.

Wie weit ist der Verkauf des Pflegeheimes Penzlin?

Der Verkauf ist mit Wirkung zum 01.07.2018 erfolgt.

War es eine richtige Entscheidung, die Anlage in Röbel zu bauen?

Das kann ich nicht beurteilen, da mir die damaligen Gründe für diese Entscheidung nicht bekannt sind.
Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass für die angebotenen Leistungen eine ausreichende Nachfrage besteht. Der Investitionsumfang wegen des schwierigen Baugrundes nicht unerheblich war, das Objekt selbst eine zeitgemäße, moderne und ansprechende Atmosphäre bietet und ein Kernteam an engagierten Mitarbeitenden das Haus bewirtschaftet.
Leider können wir die Nachfragesituation im Bereich des Pflegeheimes noch nicht vollumfänglich bedienen, weil wir hierzu noch eine weitere Verstärkung durch geeignetes Pflegepersonal benötigen.
Wir freuen uns also über jede einschlägige Bewerbung die hilft, die Nachfrage nach stationären Pflege- und Betreuungsleistungen in Röbel noch besser decken zu können.

Nachdenken, was sie wem antun

Wie ist die Stimmung unter den derzeit rund 650 Mitarbeitern, wie gehen Ihre Mitarbeiter damit um, dass die AWO in der Öffentlichkeit immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt?

Über negative AWO-Schlagzeilen freuen sich weder unsere Mitarbeitenden noch die Organvertreter. Sie belasten die Stimmung und das Betriebsklima. Bei aller berechtigten Kritik in mancherlei Sache überwiegt in meinen Augen deutlich die vielerorts geleistete gute und sehr gute Arbeit. Dieses Urteil erlaube ich mir nicht als Geschäftsführer, quasi weil ich das sagen muss, sondern als einer, der inzwischen 35 Einrichtungen besucht und sowohl mit seinen Kolleginnen und Kollegen, wie auch mit einigen der von uns betreuten jungen und älteren Menschen gesprochen hat.
Ich habe Bewohner unserer Einrichtungen erleben dürfen, die sich bei den sie betreuenden AWO-Mitarbeitenden mit stehendem Applaus für deren Arbeit bedankt haben. Wenn Sie so etwas erleben und ihnen die gelobten Mitarbeitenden dann sagen, dass sie sich wegen der öffentlichen Berichterstattung trotzdem kaum trauen, zu sagen, wo sie arbeiten, dann sollte die öffentliche Berichterstattung einmal darüber nachdenken, was sie wem eigentlich antut. Ich bitte nicht um Sonderbehandlung für die AWO Müritz, aber um mehr Verantwortung und Differenzierung bei der Berichterstattung und bedanke mich dafür dies hier einmal äußern zu dürfen.

Die wichtigste Frage: Wie steht die AWO Müritz momentan da?

Besser als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres. Die Schritte, die wir gehen, sind klein, aber sie haben die richtige Richtung und der eine oder andere Effekt stellt sich erfreulicherweise auch ein. Darauf können alle Mitarbeitenden stolz sein, es ist das Ergebnis ihrer Arbeit, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken darf.

Wer arbeitet derzeit im Vorstand der AWO Müritz?

Der Kreisvorstand des AWO Kreisverband Müritz e.V. setzt sich aus den folgenden ehrenamtlichen Mitgliedern zusammen: Herrn Rechtsanwalt Arndt, Herrn Hohn, Herrn Freyschmidt, Frau Julitz und Herrn Kretschmer.

Haben Sie Kontakt zum langjährigen Geschäftsführer Peter Oljinyk oder Frau Ehlert?

Nein.

Stolz auf das Erreichte sein

Was sind die nächsten Schritte der AWO Müritz – welche Pläne gibt es?

Aus gegenwärtiger Sicht gibt es da nichts Spektakuläres zu vermelden. Wir werden unser Zukunftskonzept weiter den aktuellen Erfordernissen anpassen und umsetzen. Unsere Zielstellung bleibt vorrangig die Konsolidierung des AWO Kreisverband Müritz e.V. und seiner Gliederung. Im investiven Bereich wird der Schwerpunkt auf der Abarbeitung des Sanierungsstaus bei den Bestandsobjekten liegen.

Wie wollen Sie erreichen, dass die AWO Müritz dieses negative Image, für das Ihre Vorgänger verantwortlich sind, los wird? Kann man es überhaupt schaffen, dass die Menschen „da draußen auf der Straße“ wieder lächeln, wenn Sie den Namen AWO hören?

Wir wollen uns vor allem durch Verlässlichkeit und eine engagierte, zugewandte, gute inhaltliche Arbeit zum Wohle der uns anvertrauten jüngeren und älteren Menschen auszeichnen. Begleitend werden wir unsere Öffentlichkeitsarbeit verbessern und die interne Kommunikationsstruktur intensivieren. Wir hoffen auf diesem Weg noch stärker mit unserer Arbeit überzeugen zu können.
Im Übrigen habe ich wahrgenommen, dass es eine Reihe von Menschen gibt, die aufgrund ihrer erlebbaren Bezüge zu Mitarbeitenden der AWO Müritz ein Lächeln im Gesicht tragen. Wir arbeiten daran, dass es so bliebt und vielleicht noch der Eine oder Andere dazu kommt.

Wo sehen Sie die AWO Müritz in 3/5 Jahren?
In 3/5 Jahren hat die AWO Müritz ihr Zukunftskonzept umgesetzt und ist wirtschaftlich wie finanziell gestärkt aus den Veränderungsprozessen hervorgegangen. Die AWO Müritz ist als ein verlässlicher Partner im Bereich der sozialen Arbeit in der Müritz-Region anerkannt und akzeptiert. Der AWO Kreisverband Müritz e.V. und seine Gliederung sind ein aktives Mitglied in der AWO Tarifgemeinschaft M-V.
Die Mitarbeitenden freuen sich über ein wertschätzendes Betriebsklima und eine auf allen Ebenen konstruktive Zusammenarbeit. Es macht Spaß auf Arbeit zu gehen und Teil des großen AWO Müritz-Teams zu sein.

Welchen Ratschlag geben Sie Ihren Mitarbeitern, die nach wie vor regelmäßig negative Nachrichten über die AWO in Mecklenburg-Vorpommern lesen müssen?
Im Grunde liegt es in der Hand jedes einzelnen Mitarbeitenden darüber zu befinden, womit man das Wort „AWO“ zukünftig verbinden soll. Ich werbe deshalb dafür, nach vorn zu schauen, sich als Team zu verstehen, sich einzubringen, mit zu gestalten und ruhig Stolz auf das Erreichte in der operativen Arbeit zu sein.

Wir danken für das Gespräch!


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