Patient würgt Krankenschwester fast bewusstlos – Bewährung
Am Schluss wurde Richterin Daniela Lieschke am Landgericht Neubrandenburg ungewohnt deutlich: „Wenn ich mitbekomme, dass Sie sich irgendwie der Krankenschwester nur noch einmal nähern – sei es auch über soziale Medien – dann ist die Bewährung hinfällig“, gab die Richterin dem Mann aus Neustrelitz mit auf den Weg. Der Verurteilte hatte während des Verfahrens immer wieder ein Grinsen im Gesicht, was Lieschke so deutete, dass er den Prozess anscheinend gar nicht richtig Ernst genommen hatte.
Wenige Minuten vorher hatte die konsequente Juristin den 33-Jährigen wegen „gefährlicher Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Der obdachlose Mann hatte vor Gericht zugegeben, eine Krankenschwester im Juli 2022 bei einem Klinikaufenthalt auf einer Psychiatrie-Station von hinten in einem Behandlungszimmer plötzlich angegriffen, sie zu Boden gestoßen und gewürgt zu haben.
Der Mann habe die Tür zugeworfen, sich auf den Rücken der Krankenschwester gekniet und sie mit dem Ellenbogen von hinten gewürgt. „Ich bekam keine Luft mehr“, sagte die immer noch sichtlich bewegte 21-Jährige im Prozess. Etwa 20 Sekunden habe das gedauert. „Ich habe wirklich gedacht, das ist mein Tod“, erzählte die Frau, die in dem Klinikum in Ueckermünde arbeitet.
Der Angeklagte habe erst aufgehört zu würgen, nachdem sie geschrien habe und eine Kollegin die Tür von außen aufschloss. Danach soll der Mann sie noch bedroht haben, dass er sie „auch draußen erwischen wird.“ Das bestätigte auch ihre Kollegin. Das Opfer trug Quetschungen und Schürfwunden davon und musste sich in psychische Behandlung begeben. Ganz sind die Ängste immer noch nicht weg. Drei Monate war sie krankgeschrieben, seit Herbst arbeitet sie wieder.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann sogar „versuchten Totschlag“ vorgeworfen. Doch davon rückte deren Vertreter nach der Verhandlung wieder ab. Ein Tötungsvorsatz sei dem bisher nicht vorbestraften Mann nicht nachweisbar, sagte der Staatsanwalt, Auch wenn er „persönlich glaube“, dass das Ganze noch viel schlimmer ausgegangen wäre, wenn die Kollegin nicht die Tür noch rechtzeitig geöffnet hätte. Doch Urteile müssen auch höheren Instanzen genügen – deshalb „nur gefährliche Körperverletzung.“
Mit einem Jahr und acht Monaten liege das Gericht etwa doppelt so hoch wie bei sonst üblichen Ersttätern, umriss die Richterin den Schuldspruch. Der 33-Jährige hat keinen Schulabschluss, eine Lehre im ersten Jahr abgebrochen, nie richtig gearbeitet. Er ist zwar bisher noch nie straffällig geworden, hatte aber sonst eigentümliche Angewohnheiten.
Wie die psychologische Gutachterin einschätzte, habe sich der beschäftigungslose Mann in vielen Gegenden Deutschlands immer mal wieder in Psychiatrien einweisen lassen. Er habe mehrfach vorgegeben, Selbstmord verüben zu wollen. Ob das wirklich ernst gemeint war, sei nicht klar. In keiner Klinik habe er sich allerdings wirklich ernsten Untersuchungen unterzogen. Deshalb halte sie den Mann eher für berechnend, als für wirklich krank.
Dem folgte die Richterin und setzte noch sozusagen einen drauf. „Wir durchschauen Sie, sie sind immer kooperativ, wenn es Ihnen nutzt“, sagte Lieschke. Und: „In einer Zeit, in der in Berlin Rettungskräfte angegriffen werden, sind die Gerichte gehalten, ein Zeichen zu setzen.“ Der Angeklagte, der noch nie gearbeitet habe, habe ausgerechnet diejenigen angegriffen, die anderen helfen. Das sei besonders verwerflich.
Wie für Ersttäter üblich, wurde am Ende die Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt, der Haftbefehl aufgehoben. Die Bewährung mit Bewährungshelfer soll drei Jahre dauern. Zudem muss der Verurteilte 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit innerhalb von sechs Monaten leisten. Das ist eine Stunde pro Tag, das tut Ihnen gut, sagte Lieschke und verhängte zudem strenge Meldeauflagen, auch für die Obdachlosenheimzeiten.
Die Anwältin der Nebenklage, die das Opfer vertrat, forderte trotz aller entlastender Umstände eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Damit hätte schon die Mindeststrafe bei fünf Jahren Haft gelegen. Damit kam sie aber nicht durch.
In der psychiatrischen Klinik gibt es immer wieder mal verbale Beschimpfungen, erklärte die erfahrene Kollegin der Geschädigten dem Gericht. Das komme vor. Aber solche Gewaltvorfälle seien sehr selten. „Ich habe immer noch ein mulmiges Gefühl, wenn ich Patienten den Rücken zudrehe und plötzlich Schritte höre“, sagte die attackierte Frau zum Abschluss.