Staatsanwalt: In Drogenbande hatte jeder seine Aufgabe

26. Oktober 2021

Im Prozess gegen eine mutmaßliche Drogenschmugglerbande von der Seenplatte (WsM berichtete) hat eine neue Etappe begonnen. Die letzte Verhandlung könnte unter dem Motto „Der Staatsanwalt hat das Wort“ gestanden haben – auch wenn die Verteidiger erneut viel mehr zu Wort kamen. Aber das scheint in dem Verfahren ja fast schon die Regel. Die Bedenken der Anwälte sind sicher auch nicht aus der Luft gegriffen. Nun wird die Beweisaufnahme zeigen müssen, ob Ankläger und Polizei jedem einzelnen Angeklagten wirklich konkrete Tatbeiträge nachweisen können.
Verteidiger Frank Zindler ist da skeptisch. „Diese Encrochatverfahren sind wie eine Schnitzeljagd“, sagte er. Das BKA habe immer nur Fragmente vorgelegt und die gesamte Anklage fuße auf Annahmen, die die Ermittler aufgrund der abgehörten und mitgelesenen Gespräche aufgrund entschlüsselter Daten getroffen hätten. Doch das BKA habe gar nicht alles vorgelegt. Zindler vertritt auch andere Angeklagte dieser Charge vor anderen Gerichten.
Was war damals passiert?

Da wurde Staatsanwalt Bernd Bethke deutlich. Den vier Männern werde bandenmäßiger Drogenhandel vorgeworfen. Zwischen April und November 2020 – vorher habe man das ja auch nicht untersuchen können – sollen sich die Männer in schöner Arbeitsteilung Kokain und andere Drogen immer bei demselben Mann in Holland besorgt haben, um das Ganze richtig gewinnbringend an der Seenplatte, also von Stavenhagen aus, weiterzuverkaufen.

Die Aufteilung war klar: Der Hauptangeklagte sei der 59-Jährige, der früher zu den Betreibern der Disko im Kreiskulturhaus in Waren war. Dieser lebt nun bei Stavenhagen. Er gab die Aufträge, besorgte Geld und hatte –und soll sie immer noch haben – wichtige Kontakte in der Szene. Der 39-jährige Bekannte aus Stavenhagen soll die Transporte abgesprochen und die Drogen angenommen haben.

In den insgesamt elf Fällen, die angeklagt sind, soll sieben Mal der dritte Angeklagte aus Schwerin der Fahrer gewesen sein. Als man ein neues präpariertes Auto mit größerem Versteck in den „Seitenschwellern“ – wo bis zu zehn Kilo Drogen Platz hätten – brauchte, kam der 49-jährige Angeklagte aus Wredenhagen bei Röbel als Fahrer in den letzten vier Fällen ins Spiel. Am 6. November 2020 schlugen die Ermittler zu, zuerst in Stavenhagen, wo man auf einem Hinterhof den Fahrer und zwei Kilogramm Kokain in seinem Wagen fand.

Weitere Durchsuchungen und Festnahmen schlossen sich an, in vielen Ländern. Seit gut einem Jahr sind der Mann aus Stavenhagen, der Hauptangeklagte und der Schweriner in U-Haft, obwohl ihre Anwälte das natürlich ändern wollen. Der mutmaßliche Drogenfahrer aus dem Süden der Müritz kommt immer als freier Mann zu den Terminen am Landgericht.

Anwalt will Abbruch des Prozesses

Beim Hauptangeklagten wurden auch verbotene waffenähnliche Gegenstände, wie eine Stahlrute, Totschläger und mehrere Schlagringe beschlagnahmt, sagte Bethke. Pro Fahrt wurde in den meisten Fällen etwa 31 000 Euro gebraucht, um ein Kilo Kokain zu holen. Das hieß in den Chats, wo alle Leute Pseudonym-Namen trugen, natürlich anders. Auch die Drogen bekommen Pseudo-Namen. So kam es unter anderem zu der Bemerkung: War der Außendienstmitarbeiter wieder da?, bevor der „Chef“ zum „Verteiler“ fuhr. In Holland hieß der Lieferant immer „Koli“.

Der gesamte Fall hängt mit einem angeblich abhörsicheren Server zusammen, der in Frankreich stand. Über diesen sollen Kriminelle aus ganz Europa – speziell Leute aus der Drogenszene – mit Kryptohandys telefoniert haben, weil sie als abhörsicher galten. Dieser hieß Encrochat. Doch den französischen Ermittlern gelang es, diese Plattform Anfang 2020 zu entschlüsseln (WsM berichtete).

Danach hörten die Ermittler längere Zeit den Datenverkehr der Kriminellen mit. Daraus ergaben sich viele wichtige Hinweise, sagt die Staatsanwaltschaft. Die vier Angeklagten, drei von ihnen dürfen im Gerichtssaal die Fußfesseln ablegen, taten das, was sie schon immer taten – sie schwiegen.

Nun geht es im Oktober und November weiter. Keiner erwartet, dass das Verfahren noch in diesem Jahr zu Ende geht. Im Gegenteil. Einer der Anwälte, der schon immer mit Anträgen versucht hatte, die Anklageverlesung zu verhindern, stellte wieder neue Anträge. Nicht überraschend: Er will einen Abbruch des Prozesses, da die Daten aus Frankreich, wo Ermittler größere Freiheiten haben, in Deutschland gar nicht verwendet werden dürften. Darüber soll später entschieden werden.


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