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Viel mehr als nur Papierkrieg: Das Patientenaktenarchiv des MediClin Müritz-Klinikums und seine gute Seele

26. August 2018

Gefühlt leben wir doch in einer Welt voller Bürokratie, nicht wahr? Hier noch ein Formular, das ausgefüllt werden muss, da noch ein Dokument, welches unterschrieben und archiviert wird. Alles wird dokumentiert und nachvollziehbar abgelegt oder gespeichert. So ergeht es uns auch bei jedem Krankenhausaufenthalt und noch vielmehr den Ärzten und Pflegern, die sich um unser Wohl sorgen. Penibel werden alle Diagnostiken und Therapien dokumentiert, Aufklärungsbögen unterschrieben und Patientenkurven täglich gefüllt – Papier ist geduldig. Was aber passiert eigentlich mit diesen Patientenakten, nachdem die Patienten das Krankenhaus verlassen haben?
Dieser Frage gehen wir heute in unserer Serien „Hinter den Kulissen des MediClin Müritz-Klinikums“ nach.

Im MediClin Müritz-Klinikum landen die Akten im Untergeschoss des Hauses im Patientenaktenarchiv. Dort beschäftigte sich tagtäglich unter anderem Christa Kies mit ihnen. Am 1. September geht sie offiziell in den wohlverdienten Ruhestand, nachdem sie dem Klinikum 44 Jahre engagiert ihre Dienste erwiesen hat.

Begonnen hat ihre Berufslaufbahn allerdings ganz anders, nämlich mit einer Ausbildung zur Maschinen- und Anlagenmonteurin in Neubrandenburg. Im Anschluss daran wollte sie dann ein Studium der Fremdsprachen absolvieren. Mangels freiem Studienplatz und auf Anraten ihrer Schwester, die im Warener Krankenhaus in der Klinik für Chirurgie als Krankenschwester tätig ist, bewarb sie sich dort.

Im August 1974 startete sie ihre Karriere im Gesundheitswesen als Hilfspflegerin im Krankenhaus, durchlief dann eine dreijährige sogenannte Erwachsenenqualifikation zur Pflegerin und qualifizierte sich anschließend über weitere drei Jahre hinweg zur Krankenschwester. Sie durchlief mehrere Abteilungen und war viele Jahre in der chirurgischen Ambulanz des Hauses im Pflegedienst tätig, bevor es sie dann im Dezember 2009 nochmal in einen ganz anderen Bereich des Krankenhauses verschlug.

13 000 Patienten im Jahr

„Wenn ich mal alt bin gehe ich ins Archiv, habe ich immer gesagt“, berichtet mir die gebürtige Neubrandenburgerin. Dass es sie dann doch in weitaus jüngeren Jahren als angenommen dorthin verschlagen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. „Ich bewarb mich auf eine freiwerdende Stelle im Archiv. Anfangs hat mir der Kontakt zu den Patienten sehr gefehlt. Die erste Zeit haben die Patienten auch viel nach mir gefragt und mich sogar im Archiv besucht. Das hat mich sehr gerührt“, sagt sie. Dass sie sich trotz etwas Wehmut schnell in die neue Funktion eingelebt hat und diese jahrelang mit Freude und auch Leidenschaft ausgeübt hat, das sehe ich ihr an und das spürt man mit jedem Satz, den sie mir über das Archiv und ihre Tätigkeit berichtet.

Aber was genau ist überhaupt eine Patientenakte und wofür wird sie benötigt? Unnötige Bürokratie oder ein nützliches Instrument der Informationsspeicherung?
Patientenakten sind Akten, die sämtliche Schriftstücke und Informationen zu relevanten medizinischen und pflegerischen Aspekten eines Patienten im Rahmen dessen Krankenhausaufenthaltes enthalten. Gesundheitseinrichtungen und Arztpraxen sind gesetzlich dazu verpflichtet Patientenakten anzulegen und aufzubewahren. Dienten Patientenakten im 16. Jahrhundert primär der Wissenserweiterung von Ärzten, sind sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts und bis heute ein Instrument zum Schutz der Patienten.

Patientenakten wurden üblicherweise in Papierform angelegt, neuerdings werden sie digitalisiert oder sogar direkt als elektronische Patientenakte angelegt. Im Archiv des MediClin Müritz-Klinikums findet man Patientenakten in unterschiedlichsten Formaten vor. Die Aktenmenge ist immens, bedenkt man, dass jährlich mehr als 13.000 Patienten alleine stationär und teilstationär in den 9 Fachrichtungen im Klinikum behandelt werden. Die Akten dienen wie bereits erwähnt dem Schutz des Patienten im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes, aber sie sind auch Abrechnungsgrundlage der ärztlichen Leistungen gegenüber den Krankenkassen und dienen gegebenenfalls als Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren.

30 Jahre Aufbewahrungsfrist

Ganz offensichtlich beim Betreten des Archivbüros sind die Papierakten, die systematisch sortiert in den dafür vorgesehenen Schränken hängen und daher auch als „Hängeakten“ bezeichnet werden. Die Ordnung der Akten basiert auf den Geburtsdaten der Patienten sowie der Kalenderjahre der Behandlung. „ Auf den Papiertaschen, in denen die Akten liegen, befinden sich Sticker mit Zahlen. Von unten nach oben geben diese das Geburtsjahr, den Geburtstag und den Geburtsmonat des Patienten sowie die Kalenderjahre der Behandlungsaufenthalte an“, erklärt Christa Kies.

Insgesamt 31 Reihen mit rund 220.000 Hängeakten aus Papier gibt es noch im Archiv des Warener Klinikums. In einigen Reihen riecht es so richtig charakteristisch nach altem Papier oder wie ich finde nach „dem Parfum alter Bücher“. Einige Akten sind schließlich auch schon ganz schön in die Jahre gekommen, wenn man bedenkt, dass das Krankenhaus einer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren für jede Akte unterliegt. Bei Patienten, die im Krankenhaus verstorben sind, beträgt die Aufbewahrungsfrist nur 10 Jahre.

Bei zigtausend stationären Fällen pro Jahr sind schnell die räumlichen Kapazitätsgrenzen erreicht. Neben den klassischen Akten aus Papier, wurden deshalb moderne Archivierungsmethoden eingeführt. So wurden die Dokumente der Patientenakten auf Mikrofilmen gespeichert. In einem Computersystem kann man übrigens genau nachvollziehen, in welchem Format eine Patientenakte im Archiv vorliegt und wo sich eine Patientenakte gerade befindet. Nach Eingabe des Namens des Patienten ist dies in einer Liste ersichtlich. Ist eine Akte auf einem Mikrofilm gespeichert, dann zeigt das System „M“ für Mikrofilm an und die Filmnummer. Die Mikrofilme befinden sich in großen Metallschränken auf dem Flur vor dem Archivbüro.

Zur Demonstration, wie diese ausgelesen werden, entnimmt Christa Kies einen der Filme und zeigt mir die Funktion des Mikrofilm Scanners – ein sehr nostalgisch anmutendes Gerät – das sich ebenfalls im Archivbüro befindet. Das Gerät liest den Film aus und zeigt nach Eingabe einer Dokumentennummer die Dokumente auf dem Bildschirm an. Diese können dann nach Bedarf auf einem Standarddrucker auch wieder in Papierform gebracht werden. Es gibt unweit des Büros von Christa Kies einen weiteren Raum, in den sie mich während unseres Gespräches führt. Dort finde ich Regaleweise Aktenordner vor. „Dies sind nur die Dokumente aus den verfilmten Papierakten, die nicht verfilmt werden konnten“. Alleine das sind nochmal Unmengen an Papier, die hier lagern und aufbewahrt werden müssen.

Nachträgliche Veränderung nicht möglich

Inzwischen gibt es ein drittes Format, in dem Patientenakten vorliegen, nämlich in digitaler Form in einer separaten Software. Zur Digitalisierung werden die Papierakten zusammen mit einem Begleitbogen und Scannerstickern an eine Spezialfirma versendet. Diese scannt die Dokumente. Anschließend werden sie über ein System in Form einer PDF-Datei wieder in das Krankenhaussystem eingespeist. So können alle Dokumente im Computer abgerufen und bei Bedarf natürlich auch ausgedruckt werden. Die Dateien sind auf einem zentralen Server gespeichert mit Sicherheitskopien und regelmäßig durchgeführten Sicherheitsupdates.

Zudem hält das zuständige Digitalisierungsinstitut mit Sitz in Leisnig noch eine digitale Kopie jeder Akte vor. Digitale Patientenakten können nachträglich nicht mehr verändert werden, die Qualität der Dokumente bleibt beständig – Papier vergilbt oder kann ausreißen – und vereinfachen die Weitergabe von Informationen an andere Ärzte. Zukunftsweisend werden die elektronischen Patientenakten sein, die demnächst auch im MediClin Müritz-Klinikum eingeführt werden. Dann werden nur noch vereinzelt Dokumente in Papierform geführt und anschließend digitalisiert, alles Weitere wird direkt im Computersystem erfasst und abgespeichert.

Wie sah eigentlich ein üblicher Tagesablauf von Christa Kies aus, wollte ich gerne wissen. „Nachdem ich den PC hochgefahren und alle Programme gestartet habe, kommen schon die ersten Anrufe, Faxe oder E-Mails von den Stationen, welche Akten die Kollegen dort benötigen. Diese suche ich heraus, bzw. drucke sie gegebenenfalls aus, insofern sie verfilmt sind und gebe sie in eigens dafür vorgesehene Versandtaschen. Es erfolgt ein Vermerk im System zum Verbleib der Akte – damit wir jederzeit wissen, wo diese sich gerade befindet. Die Kollegen vom Hol- und Bringedienst kommen dann vorbei, nehmen die Akten mit und verteilen sie auf den entsprechenden Stationen. Aktuelle Akten bleiben übrigens immer erst acht Wochen bei mir liegen und werden frühestens nach diesem Zeitraum zur Digitalisierung geschickt, für den Fall, dass in dieser Zeit noch Befunde nachkommen, die wir in der Akte ablegen müssen.“

Großes Dankeschön vom Müritz-Klinikum

Im weiteren Verlauf des Tages war Christa Kies zuletzt viel mit dem Versand der Patientenakten zur Digitalisierung beschäftigt. Waren es noch vor ein paar Jahren rund 13.000 Akten, die jährlich von ihr und ihren Kollegen bearbeitet wurden, sind es inzwischen schon um die 16 000 bis 17 000, da selbst jeder ambulant zu behandelnde Patient im Klinikum eine eigene Akte bekommt. Früher wurden für diese Patienten lediglich Karteikarten angelegt und aufbewahrt.

Es sind wohl ein lachendes und ein weinendes Auge, wie man so schön sagt, die Christa Kies am Tage unseres Gespräches, ihrem letzten Arbeitstag begleiten. Sie wird ihre Arbeit und die Kollegen vermissen, ist sie doch jeden Tag gerne ins Klinikum gekommen und hat sich „ihren“ Akten gewidmet. Andererseits freut sie sich aber natürlich auch auf die ihr bevorstehende freie Zeit, die sie vor allem ihrem Mann – er geht zeitgleich mit ihr in den Ruhestand – sowie ihren drei Enkelkindern widmen möchte.

Auch Haus, Hof und Garten werden demnächst ihren Tagesablauf stärker bestimmen. Diese Aussicht zaubert ihr ein Lächeln ins Gesicht. Nichtsdestotrotz sagt sie abschließend „So richtig realisieren werde ich das bestimmt erst in einigen Wochen.“ Jetzt genießt Christa Kies bereits ihren Resturlaub und das schöne Wetter an der Müritz, bevor sie sich dann im September ganz offiziell als Rentnerin bezeichnen darf.

Das Team des MediClin Müritz-Klinikums bedankt sich an dieser Stelle nochmal ganz herzlich für die langjährige Zusammenarbeit und das Engagement von Christa Kies und wünscht ihr auf Ihrem weiteren Weg alles Gute, vor allem Gesundheit und viel Freude mit der neugewonnenen Zeit. Denn auch im Ruhestand gibt es noch viel zu tun…

Und wir bedanken und für diesen interessanten Text und die Fotos bei Jenny Beckert/MediClin Müritz-Klinikum


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