Vor 70 Jahren endete die Ära der Gefangenenlager in Fünfeichen

2. September 2018

Die Jahre von 1939 bis 1948 haben den Neubrandenburger Stadtteil Fünfeichen geprägt. Wer Fünfeichen heute hört, dem fallen augenblicklich die NS-Zeit und die schweren Jahre danach ein. So nutzte der stalinistische Geheimdienst NKWD in Neubrandenburg, wie auch in anderen Teilen Ostdeutschlands, vorhandene Gefangenenlager, um missliebige Deutsche aus dem Norden und auch aus anderen Gebieten im Osten einzusperren. Ein Großteil, wie die angeblichen jugendlichen  Untergrund- oder Werwolfkämpfer aus Malchow und Penzlin, wurde ohne Gerichtsverfahren und unschuldig arrestiert.
An jene willkürlichen Zeit erinnerten an diesem Wochenende mehr als 200 Menschen bei einer Gedenkveranstaltung.

Allein die Zitate der Wehrmachts-Kriegsgefangenen und der NKWD-Internierten, die Schüler aus Tagebüchern lasen, jagten den Besuchern manchen Schauer über den Rücken. Etwa: „Wenn ihr diesen Brief erhaltet, werde ich nicht mehr am Leben sein“, schrieb ein 20-jähriger italienischer Soldat, der an Tuberkulose erkrankt war und in Fünfeichen starb. Oder: „Die sich noch bewegen konnten, kamen in den Arbeitsdienst in die Landwirtschaft, den Anderen blieb meist nur das Massengrab“, schrieb ein weiterer Kriegsgefangener. „Als ich kam wog ich 175 Pfund (ca. 86 Kilogramm), jetzt noch 75 Pfund (37,5 Kilogramm).“ „Den Gestank der Toten, die auf den Trümmern im zerstörten Neubrandenburg lagen, werde ich nie vergessen.“

„Zwei Diktaturen haben hier ihre Willkür an Menschen ausgelebt“, sagte Landes-Justizministerin Katy Hoffmeister in ihrer Gedenkrede zu der Zeit von 1939 bis 1948. Fünfeichen ist so ein bedeutendes Stück deutscher Geschichte.  Das Gelände im Osten Neubrandenburgs – in der DDR Armeegebiet und so verbotenes Gelände, über das man lieber schwieg – war von 1939 bis 1945 für die Wehrmacht das erste Kriegsgefangenenlager in Pommern und Mecklenburg. Von etwa 120 000 Häftlingen aus elf Staaten – zeitgleich waren bis zu 45 000 Gefangene in Baracken eingesperrt – kamen fast 6000 Häftlinge ums Leben. Davon waren etwa 5200 Rotarmisten, die am schlimmsten behandelt wurden. An fast alle Toten erinnern heute Gräberfelder und Namenstafeln. Immer noch werden über Archive Tote identifiziert.

1945 kam der NKWD-Geheimdienst und sperrte etwa 15 000 Deutsche in den meisten Fällen unschuldig und ohne Gerichtsverfahren ein. Etwa 5000 Menschen starben hier, 1948 kamen mehrere Tausend Internierte frei, Andere Häftliunge hatten weniger Glück und wurden in andere Lager im Osten deportiert oder auch nach Sibirien. Überlebende mussten in der DDR über ihre Erfahrungen schweigen, erst nach 1990 wurde ihr Schicksal langsam aufgearbeitet.

Großen Anteil daran hat die Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen. Sie sorgte auch dafür, dass das Wahrzeichen der gemeinsamen Gedenkstätte, das elf Meter hohe „Gestützte Holzkreuz“ inzwischen neu errichtet wurde. Ob alles je aufgeklärt wird, was in Fünfeichen geschah? – Sie glaube es nicht, sagte die Ministerin, dazu habe man mit dem Ende der DDR leider erst zu spät beginnen können. Vorher passten die NKWD-Lager und genauere Nachforschungen zu der Zeit davor nicht ins ideologische Bild.


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