Weite Wege zur Berufsschule werden in MV zum Problem

30. August 2018

Nahezu jeder zweite Ausbildungsbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern konnte 2018 wie in den Vorjahren seine angebotenen Ausbildungsplätze nicht oder nicht vollständig besetzen. „Entweder fanden die Unternehmen keine geeigneten Bewerber oder es gab überhaupt keine Bewerbungen“, erläutert Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern.
„Die Gewinnung des Fachkräftenachwuchses wird für die Unternehmen zu einer immer drängenderen Herausforderung“, so Haasch.

In seinen Ausführungen bezieht er sich auf die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung, an der sich auch 14 Industrie- und Handelskammern der neuen Bundesländer beteiligt haben. Befragt wurden in den neuen Bundesländern insgesamt rund 28 000 Auszubildende, die sich im Februar des Jahres noch im 1. Ausbildungsjahr befanden. Die drei IHKs in MV befragten knapp 4000 Auszubildende, nahezu 20 Prozent antworteten.

„Eine der wichtigsten Aussagen dieser Umfrage besteht darin, dass die Auszubildenden den Unternehmen in MV immer öfter signalisieren, dass der Berufsschulstandort ein wesentlicher Aspekt für die Attraktivität der Ausbildungsstelle ist und sie ungern lange Fahrtzeiten in Kauf nehmen“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Im Durchschnitt fahren die Auszubildenden in MV 108 Minuten zu ihrem Berufsschulstandort. Im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern ist das die drittlängste Fahrtzeit. Um die Berufsausbildung anzutreten, ziehen sie häufiger von zu Hause weg. Das sind in Mecklenburg-Vorpommern mehr als doppelt so viele Auszubildende im Vergleich zu den IHKs in den neuen Bundesländern.

Zu den weiteren wesentlichen Ergebnissen der Umfrage verwies Torsten Haasch auf:

1. In der Regel ist es tatsächlich der Wunschberuf, der erlernt wird. Manchmal auch erst im 2. Anlauf über eine nochmalige Berufsausbildung. Es überrascht, dass stärker als im letzten Jahr angemerkt wurde, dass man keinen eigentlichen Wunschberuf hatte – gleichwohl aber zufrieden ist.

2. Bei den erfolgreichsten Maßnahmen beruflicher Orientierung sind sich die Azubis mit den Betrieben einig. Je praktischer, umso besser!

3. Eltern bleiben die wichtigsten Entscheider für die berufliche Zukunft ihrer Kinder! Welche Informationen nutzen sie dafür? Sind sie dafür fit?

4. Im Bewerbungsverfahren haben sich beide Seiten (Bewerber und Betrieb) aufeinander zu bewegt: Unternehmen wünschen sich frühe Bewerbungen, Bewerber schnellere Entscheidungen. Diese zeitliche Passgenauigkeit hat sich leicht verbessert.

7. Der Abgleich zwischen den neuen Bundesländern zeigt es deutlich auf: Wegzug und Zugänge aufgrund der Berufsausbildung halten sich die Waage. Anders als für ein Studium, findet der Ausbildungsinteressierte fast immer das passende Angebot im Heimatbundesland. Auszubildende unterschiedlichster Nationalitäten ergreifen die Chance auf eine international anerkannte Ausbildung. Zu diesen Bewerbern zählen sowohl Geflüchtete als auch Jugendliche aus Europa oder aus Drittstaaten, die für eine Berufsausbildung gewonnen werden konnten.

8. Jeder 3. Auszubildende des 1. Ausbildungsjahres hat für die Aufnahme der Berufsausbildung einen Wohnortwechsel vorgenommen. Und ebenso jeder 3. Auszubildende muss eine Unterkunft für den Berufsschulbesuch anmieten. Lt. Ausbildungsumfrage übernimmt ein immer höherer Teil der Betriebe die Kosten für den Berufsschulbesuch teilweise oder vollständig, um wettbewerbsfähig zu sein.

9. Die Zeiten von hohen Bewerbungsmappen-Stapeln sind endgültig vorbei. Zu 2016 und 2017 sind in Summe erneut weniger Bewerbungen notwendig, um zu einem Ausbildungsvertrag zu gelangen.

10.  Studienzweifler und Studienabsolventen finden sich 2018 noch häufiger in der Berufsausbildung. Mit 11 Prozent der Auszubildenden des 1. Ausbildungsjahrganges stellen sie inzwischen keine Ausnahme, sondern eine gern geworbene Zielgruppe dar.

11.   Die IHKs der neuen Bundesländer wollten erstmals flächendeckend wissen, welche Social Media Kanäle aktuell von den Jugendlichen genutzt werden. Für die IHKs und ihre Ausbildungsbetriebe können daraus geeignete Schlussfolgerungen für ihr Azubimarketing gezogen werden. Überraschend: Immerhin 13 Prozent der Auszubildenden gaben an, keine solchen Dienste zu nutzen.

12.   Die IHKs der neuen Bundesländer wollten eines 2018 einmal genau wissen: Würde der Auszubildende genau seinen Ausbildungsbetrieb weiterempfehlen? Denn nur eine Weiterempfehlung spricht für seine generelle Zufriedenheit in der Berufsausbildung. 91 Prozent der Auszubildenden gaben an, genau ihren Betrieb weiterempfehlen zu wollen und begründeten dies in einer offenen Abfrage. Sie bescheinigen ihren Betrieben ein gutes Betriebsklima, nette und kompetente Kollegen, Spaß an einer abwechslungsreichen Ausbildung und Vieles mehr.


Kommentare sind geschlossen.