Ist bei der Demo wirklich ein Fußgänger angefahren worden?

11. Januar 2024

Es ist ja eher selten, dass wir uns auf Artikel des Nordkurier/der Müritz-Zeitung beziehen. Aber da die Wogen gestern so extrem hoch schlugen und ein Aufmacher der Müritz-Zeitung in gewisser Weise auch unsere Berichterstattung betrifft, sehen wir uns gezwungen, das Thema aufzugreifen. So erreichten uns zum NK-Beitrag „Demonstrant fährt in Waren Fußgänger an“ jede Menge Nachrichten und die sicher auch berechtigte Frage: „Wie könnt‘ Ihr bei Euch schreiben, dass alles so glatt und friedlich abgelaufen ist, wenn es so einen Vorfall gab?“ Doch, es gab keinen Unfall. Zumindest ist keiner angezeigt worden. Vielmehr, das bestätigte die Polizei auf Nachfrage, hat ein Warener Anzeige wegen Nötigung gestellt, was dann doch ein Unterschied ist. Aber auch diese angezeigte Nötigung muss hinterfragt werden. „Wir sind Müritzer“ liegt ein Video vor, das den Sachverhalt anders zeigt.

Was war passiert? Wie der Nordkurier berichtet, stand eine Gruppe von Fußgängern, darunter Kinder, an der Ampel Röbeler Chaussee und wollte den Fußgängerüberweg bei Grün überqueren. Heißt, die Autos hatten „Rot“. Da sie aber im Konvoi gefahren sind, müssen sie zwingend zusammenbleiben und dürfen bei „Rot“ fahren. Die Fußgänger, darunter ein Mann mit Kind, haben angeblich nicht erkannt, dass die Fahrzeuge zum Konvoi gehören, weil sie nicht gekennzeichnet gewesen seien. Als die Gruppe den Weg überquert habe, hätte ein Teilnehmer des Protestes einen Fußgänger am Knie angefahren. Der betreffende Nordkurier-Leser beschwert sich dann, dass man von Kinder nicht erwarten könne, einen Konvoi zu erkennen und kritisiert die Polizei, dass sie nicht an jeder Ampel gestanden habe. Seinen Namen wollte der Nordkurier nicht veröffentlichen, kennt ihn aber. Auch „Wir sind Müritzer“ ist der Name bekannt, weil der Mann auf einem Video zu sehen ist.

Fassungslose Zeugin

Auf dem Video ist der Konvoi ganz klar zu erkennen und auch nicht zu überhören. Und zwar aus beiden Richtungen. Während einige Wagen stadtauswärts in Richtung Waren-West fahren, sind andere schon auf dem Rückweg und begegnen sich in der Röbeler Chaussee. Es gab in diesem Moment also einen deutlich erkennbaren Konvoi in beide Richtungen. Dennoch geht unter anderem ein Mann mit Kind plötzlich zwischen den Fahrzeugen hindurch auf die Straße und läuft direkt vor ein Auto. Was dann genau passiert, ist nicht zu erkennen, wenig später zeigt das Video aber einen aufgebrachten, laut schimpfenden Mann. Ist er wirklich angefahren worden? Wenn ja, warum hat er dann lediglich Anzeige wegen Nötigung und nicht Körperverletzung gestellt oder gleich die Polizei wegen eines Unfalls gerufen? Denn wenn ein Fußgänger angefahren wird, handelt es sich eindeutig um einen Unfall und nicht um Nötigung. Dass der Mann mit dem Kind bewusst vor die Autos lief und schließlich mit der Hand auf eine Motorhaube schlug, bestätigten mehrere Zeugen gegenüber „Wir sind Müritzer“. Angefahren habe ihn demnach aber niemand. „Ich bin fassungslos über so eine falsche Berichterstattung“, schimpft eine Teilnehmerin.

Warens Polizeichefin Kathrin Jähner bestätigte auf Nachfrage von „Wir sind Müritzer“ den Eingang der Anzeige über die sogenannte „Online-Wache“. Allerdings wegen Nötigung. Darin sei lediglich von einer leichten Berührung die Rede. „Bei einem Unfall hätte man uns sicher auch gleich informiert“, so Kathrin Jähner. Bei so großen Aktionen sei es zudem gar nicht möglich, an jede Ampel, die der Konvoi passiere, Polizisten zu stellen. „Wir haben das Möglichste gemacht und hatten auch den Eindruck, dass die Teilnehmer sehr umsichtig gefahren sind und Rettungsdienst sowie Fußgänger passieren ließen“, sagte Waren Polizeichefin. Die Versammlungsbehörde habe im Vorfeld festgelegt, dass die Teilnehmer nicht mit Warnblinkanlage fahren dürften. Das müsse man bei der Auswertung noch einmal diskutieren.

Ziemlich verärgert von den Behauptungen im Nordkurier-Artikel zeigt sich der Organisator des Warener Autokorsos, Holger Anton. Von der Nötigungsanzeige habe er erst am Dienstagmittag erfahren und sich auch gleich mit verschiedenen Teilnehmern des Korsos in Verbindung gesetzt. Die hätten ihm den Vorfall anders geschildert und auch ein Video zur Verfügung gestellt. „Der Fußgänger ist mit seinem Kind regelrecht vors Auto gelaufen, der Fahrer des Autos hat scharf gebremst und ihn nicht angefahren. Er wurde dann wüst von dem Mann beschimpft. Anschließend hat er noch auf die Motorhaube geschlagen. Wir wurden im Vorfeld aufgefordert, im Konvoi und deshalb auch bei ‚Rot‘ zu fahren. Dennoch haben wir, wo es ging, auch die Fußgänger passieren lassen“, erklärte Anton auf Nachfrage von „Wir sind Müritzer“.

Die Ermittlungen der Polizei zu der Anzeige dauern noch an.

Foto oben: André Klevenow


4 Antworten zu “Ist bei der Demo wirklich ein Fußgänger angefahren worden?”

  1. Bluhm Cordula sagt:

    Mit einem Kind zwischen einem Konvoi zu laufen, zeugt nicht nur von Verantwortungslosigkeit ,da hat das Kind ein schlechtes Vorbild.

  2. Bert sagt:

    Hier sollte man den Mann mit dem Kind anzeigen. Der hat seine Kinder in Gefahr gebracht!

  3. Else sagt:

    Unfassbar!!!
    Da hat wohl jemand Aufmerksamkeit gesucht und gedacht er würde sie bekommen.
    Wenn er den Medien mal richtig zugehört hätte, dann hätte er gewusst, dass es am Montag in Waren zu erheblichen Einschränkungen kommen wird. Und nicht weil die Bevölkerung lange Weile hat, sondern weil Sie mit den Entscheidungen und neuen Regelungen der Regierung nicht mehr einverstanden sind. Wir waren auch mit dabei und wollten zeigen, dass wir alle zusammenhalten müssen, wenn etwas passieren soll. Aber es gibt natürlich auch Menschen die mit sich nicht zufrieden sind und es auf andere übertragen müssen. Sollte aber etwas erreicht werden, nehmen Sie von dem Kuchen gerne ein Stück ab.

    Ich kann nur sagen 👌 echt großes Kino!!!

  4. Elimar sagt:

    Voraussetzung, um einen Autokonvoi als geschlossenen Verband zu beurteilen, ist, dass alle Fahrzeuge deutlich und einheitlich gekennzeichnet sind. Das kann man bei einheitlichen Treckern mit immer denselben Abständen vielleicht auch annehmen. Bei verschiedenen Fahrzeugen mit unterschiedlichen Abständen kann das aber zweifelhaft sein. Im Konvoi zu fahren, muss angemeldet werden. Den Konvoi als ein langes Fahrzeug zu betrachten setzt voraus, das so dicht nacheinander gefahren wird, dass es daran keine Zweifel gibt, für Fußgänger, Kinder oder Fahrzeugführer aus anderen Richtungen auf Kreuzungen. Bedenkt bitte auch, dass das bei Bahnübergängen nicht funktioniert. Der Zug kommt und kann nicht bremsen, nur weil die FAhrzeuge unablässig nachfahren, was strikt verboten ist. Das könnte im Autokorso-Dusel untergehen. Auch sollte sich ein Fußgänger auf das grüne Licht für ihnverlassen können, insbesondere Menschen mit einschränkungen und Kinder. Wer das Nötige nur schlecht und das besonders rücksichtsvolle nicht macht, soll dafür geradestehen, wenn etwas passiert. Wer Blech um sich hat, ein tonnenschweres Gefährt, hier für eine komfortable Demonstration bewegt, ist im Verkehr der Stärkere und trägt, da zunächst er die Gefahr mitbringt, immer eine Mitschuld. Darauf dürfte es hinauslaufen, wenn die Berührung nicht frei erfunden worden ist.