Bleibt es bei lebenslänglich? – Revisionsverhandlung im Fall Leonie

20. Januar 2021

Welche Strafe bekommt der Stiefvater von Leonie? Wieder lebenslänglich oder doch etwas milder? Und wird er diesmal wirklich allein etwas sagen? Um diese Fragen geht es seit gestern noch einmal in Neubrandenburg. Unter großem Medieninteresse und den geltenden Corona-Beschränkungen hat am Landgericht der Revisionsprozess gegen den Stiefvater der Sechsjährigen begonnen.
Eine neue Strafkammer muss aber nicht den gesamten Prozess neu aufrollen – der Bundesgerichtshof hat das Tatgeschehen (WsM berichtete)  ja zu großen Teilen bestätigt. Aber das Tatmotiv soll noch einmal ganz genau unter die Lupe genommen werden.

Um es kurz zu sagen: Am ersten Prozesstag wurde noch einmal das ganze Leid deutlich, dass das Mädchen erdulden musste – aber verhandlungstechnisch ging es nicht besonders vorwärts. Nach etwa einer Stunde waren die kurze Anklage und Teile des detaillierten Urteils vorgelesen. Richter Henning Kolf schilderte aus dem umfassenden Urteil der ersten Instanz, wie es zu den diversen Verletzungen am Körper des Mädchens gekommen war.

Ausgangspunkt war, dass der Stiefvater und die Mutter sich schon 2016 in Wolgast näher kennengelernt hatten. Der „Neue“ war damals ein Bekannter ihres Partners. Sie hatte sich dann aber vom Vater ihrer beiden Kinder getrennt. Dann blieben der „Neue“ und der echte Vater verfeindet. Schließlich zog die kleine Familie Mitte 2018 nach Torgelow. „Dort führte der arbeitslose Stiefvater die Familie in die soziale Isolierung“, hieß es. Er kontrollierte Geld und Handy der Mutter und ahndete schon Kleinigkeiten mit Gewalt. Die Kinder gingen weder zur Kita, noch wurden sie irgendwann einem Arzt vorgestellt – auch nicht mit ihren Verletzungen.

Am Ende wollte die Mutter bereits weggehen, ergab die erste Verhandlung. Davon hatte Leonie Wind bekommen und das auch gesagt. Bei ihr wurden eine ganze Reihe von Brüchen festgestellt, sie starb schließlich an Hirnblutungen. (WsM berichtete) Der Stiefvater verhinderte, dass die Mutter den Rettungsdienst alarmierte, und das über etliche Stunden, hieß es im ersten Urteil.

Das alles ließ den Stiefvater am Dienstag auch scheinbar ungerührt. Er saß mit gesenktem Blick und antwortete auf die Frage, ob er sich dazu äußern wolle, nur mit „Nein“.

Am nächsten Prozesstag soll erst noch einmal die Mutter zu dem Teil der Anklage gehört werden, in dem es um das Motiv geht. Die Kammer soll klären, ob der Stiefvater vielleicht sogar schon während der Strafaktion vor zwei Jahren – als er auf das Mädchen einprügelte – im Hinterkopf hatte, sie zu töten. Das wäre dann ebenfalls Mord – nur nicht durch das Unterlassen, Hilfe zu holen, sondern aus „niederen Beweggründen.“ Die Strafe wäre auch lebenslänglich.

Die Anwälte des Stiefvaters wollen dagegen erreichen, dass der Fall eventuell als Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge eingestuft wird, was eine mildere Strafe bedeuten könnte.

Auch der leibliche Vater von Leonie und ihrem kleineren Bruder verfolgte den Prozess wieder (Foto rechts im Text).

Ein Urteil wird frühestens Mitte oder Ende Februar erwartet.

Fotos: Felix Gadewolz


4 Antworten zu “Bleibt es bei lebenslänglich? – Revisionsverhandlung im Fall Leonie”

  1. Löwenmutter sagt:

    In manchen Ländern werden doch schon bei Diebstahl die Hände abgehackt. In diesem Fall (finde ich) hat der Täter gezeigt, dass er mit Händen und Füßen nicht umgehen kann. Was soll dieses Totschlag-Wischiwaschi? Oder liegt es daran, dass es „nur“ ein Mädchen war.

  2. Annette.dieckmann-bartels sagt:

    Ich kann die Wut verstehen. Ich bin selbst Mutter zweier Kinder. Trotzdem möchte ich nicht in einem Staat leben in dem es keine echte Justiz gibt sondern nach Wut entschieden wird.

    • Löwenmutter sagt:

      Danke für den Kommenar. Obwohl ich natürlich empört bin glaube ich, dass es für solche Verbrechen von vornherein (also vom Gesetzgeber) drakonische und auch grausame Strafen geben sollte. Dann weiss jeder gleich woran er ist. Dies muss tief in das Bewusstsein jeden Bürgers eindringen. So dass Menschen, die zu Jähzorn, Raserei, unkontrollierten Handlungen oder BOSHEIT neigen, jederzeit wissen: Oh mein Gott, dies darf mir nicht passieren! Von der Frau und besonders dem Kind halte ich mich fern. Ich glaube, dass Menschen dazu in der Lage sind. Die Täter würden sich ja auch nicht selbst mit Benzin übergießen … . Weil sie wissen wie weh es tut. Wir können uns auch nicht innerlich beruhigen in dem Wissen, dass diese Täter im Strafvollzug ein schweres Leben haben.
      Dieser Mensch hat sich wohl kaum jemals über die Kostbarkeit eines einzelnen Lebens Gedanken gemacht.

      Insgesamt ist zu sagen, dass auch die Stellung von Müttern in der Gesellschaft zu verbessern ist.

  3. Sarah Simdorn sagt:

    Ich verstehe dieses hin und her nicht… Die gerechte Strafe gibt es leider nicht mehr hier…aber das er sein restliches Leben nun im Knast sitzen muss leuchtet doch ein oder nicht?
    Manchmal frage ich mich ob man in diesem Land überhaupt Kinder bekommen sollte…in einem Land wo es solche Menschen gibt und wo Strafen so lange diskutiert werden müssen, obwohl es doch eindeutig ist.