Ist das Kunst – oder kann das weg?
Ist das Kunst oder muss oder kann das nun doch noch weg ? Unter diesem Motto wird in Neubrandenburg gegenwärtig der Umgang mit Kunstwerken – auch Kunst am Bau – aus der DDR-Zeit beraten. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wollen die Fachleute sich ein unbefangeneres Bild von Kunst und Kultur aus den Jahren 1949 bis 1989 machen, als es kurz nach dem Mauerfall möglich war. „Wir wollen weg von der Diskussion um einzelne Kunstwerke, hin zur Gesamtbetrachtung einer solchen Kunstepoche“, sagte Oberbürgermeister Silvio Witt gegenüber „Wir sind Müritzer“. „Wir haben jetzt die historische Distanz, um solche Werke auch ideologiefrei zu betrachten“, erläuterte die Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung Patricia Werner, die das Projekt fördert.
Neben einer dreitägigen Tagung sind zwei Ausstellungen zu sehen, die bei dem Einen oder Anderen Erinnerungen wecken dürften.
So wurden zwölf teils großformatige Malereien im HKB platziert, die dort bis Mitte Oktober gezeigt werden, Die Bilder hingen in FDGB-Erholungsheimen, in SED-Parteizentralen oder in sozialistischen Betrieben, wo sie nach 1989 im Weg waren, das Museum für „Utopie und Alltag“ hat sie gerettet und aufbewahrt. Aus heutiger Sicht wird man überrascht sein, welche Eindrücke das beim Betrachter auslöst.
Die zweite Schau hat die Neubrandenburger Kunstsammlung zusammengestellt. Die historische städtische Sammlung war 1945 verloren gegangen. Daraufhin hatte die Stadt, die in der DDR-Zeit als sozialistische Bezirksstadt enorm gewachsen war, 1982 ihre Sammlung neu gegründet. Es war die letzte Museumsneugründung der DDR. Vom heutigen Gesamtbestand von 8000 Arbeiten stammen 3400 aus der DDR-Zeit. Mit ihnen wurde auch eine Schau gestaltet.
Von den etwa 700 Denkmälern aus der DDR-Zeit stehen allein etwa 100 in Neubrandenburg. Dazu gehören die ersten WBS-70-Blöcke und auch die Hochhaus-Plattenbauten mit riesigen Kunstgiebeln in der Südstadt. In Schwerin steht eine „Lenin-Figur“, in Rostock ein „Matrosendenkmal“, das immer wieder zu kontroversen Debatten führt. Im Augenblick gibt es wegen des Krieges in der Ukraine zum Beispiel Forderungen, sowjetische Denkmäler abzubauen. Auch darüber wird bei der Tagung gesprochen.
Die aus kunsthistorischer Sicht besten Werke gehören in ein Museum genau dafür, alles neutral betextet und die anderen in ein Archiv. Keinesfalls dürfen Kunstwerke, weil man der Meinung ist, dass sie die Wirklichkeit verklären könnten, vernichtet werden, abgesehen vielleicht von Kunst am Bau, z.B. Mosaiken, wenn der Bau nicht zu retten ist. In dem Sinne bleibt der Fachwelt nichts anderes übrig, als jedes Werk einzeln und genau zu betrachten und einzuordnen. Eine pauschale Bewertung und Entledigung unter der Überschrift der Gesamtbewertung der Epoche kann ich nicht befürworten. Cancel Culture ist nicht de Lösung, sondern schafft früher oder später neue Probleme. Sehen wir mal in die Zukunft. In hunderten von Jahren könnten die mehr oder weniger handwerklich ordentlich gemachten, aktuellen, polarisierenden Werke, unter dem Stickwort Kunstfreiheit verteidigt, genauso Kopfschütteln ernten und fast zur selben Epoche gezählt werden. Die Frage, ob damals Staatsräson dahinter stand, wird in den Hintergrund getreten sein. Wenn es die Werke dann noch gibt.