Neubrandenburg legt monumentale DDR-Kunst wieder frei

5. Februar 2023

Die monumentalen beiden Fresken „Kampf der Arbeiterklasse“ und „Sieg der Arbeiterklasse“ im fast fertig sanierten Rathaus von Neubrandenburg werden für etwa 25 000 Euro freigelegt und restauriert – und dann aber doch wieder „ein bisschen versteckt“. Für das „Verstecken“ soll ein Glaskasten mit Beleuchtung sorgen – für den wiederum 32 000 Euro veranschlagt werden. Alles soll über Spenden finanziert werden. Auf dieses Ergebnis haben sich die Stadtvertreter nach einer hochemotionalen Debatte in dieser Woche geeinigt, die mit einem zuweilen knappen Abstimmungsmarathon endete. Hintergrund des Ganzen ist die bisherige Historie der großen Bilder und des Hauses (WsM berichtete), in dem früher die SED-Bezirksleitung Neubrandenburg und der Rat des Bezirkes residierten.

Das war 1969, zum 20. Jahrestag der DDR. Der Künstler Wolfram Schubert entwarf die farbenfrohen Fresken im Stil italienischer Malkunst, die dann den kompletten Eingangsbereich dominierten. Das mit dem „Sieg des Sozialismus“ hatte ja dann nicht so geklappt. Doch auch Kunst aus jener Zeit hat ihre Berechtigung und steht unter Schutz, wie das Landesdenkmalpflegeamt festlegte.

Somit waren die jeweils etwa 15 Quadratmeter großen Schubert-Fresken letztlich 22 Jahre zu sehen. Dann zog nach 1990 das Rathaus dort ein, die Bilder wurden mit Tapete überklebt und waren etwa 30 Jahre nicht zu sehen. Mit der etwa 21 Millionen Euro teuren Sanierung des Rathauses musste nun neu entschieden werden.

Den Abgeordneten lagen dafür fünf Varianten vor: Die Bilder ganz freilegen und zeigen, sie nach Freilegung mit Rollos zu versehen, einfach nur einen Vorhang davor hängen, dann der Vorschlag mit der Glaswand und Licht, sowie eine 200 000 Euro teure Variante, die Künstler nach Ausschreibung umsetzen sollten.

Da das noch nicht kompliziert genug war, schlug eine Fraktion noch vor, nur 20 Prozent des Bildes zu restaurieren. Schließlich hätten auch viele Bürger unter dem DDR-Regime gelitten und denen sei nicht zuzumuten, dass sie gleich beim Betreten des Rathauses mit solch anmaßender DDR-Auftragskunst konfrontiert würden.

Diese 20-Prozent-Freilegung fand aber – nur ganz knapp mit 18 zu 20 Stimmen – keine Mehrheit. Dann durfte jeder Stadtvertreter seine Lieblingsvariante nennen. Die beiden mit den meisten Stimmen – Variante ganz zeigen (15) und Variante Glas/Licht (17) – kamen in eine Stichwahl. Hier bekam die Glas-Licht-Variante dann eine Mehrheit.

Der Künstler Wolfram Schubert wird sich freuen. Der inzwischen 96 Jahre alte Maler war schon 2020 dabei, als bei einem ersten Versuch ein kleiner Teil der Fresken mit den Begründern des Marxismus-Leninismus versuchsweise wieder freigelegt worden war. Er würde das aber heute nicht mehr so malen, hatte er damals erklärt. 


8 Antworten zu “Neubrandenburg legt monumentale DDR-Kunst wieder frei”

  1. Bernhard Wittek sagt:

    Eine akzeptable Lösung Lösung! Auch Irrtümer lassen sich korrigieren.

  2. Doris Ackermann sagt:

    Ich finde es toll, dass diese Kunst wieder in das Bewusstsein gerückt wird. Es kann doch nicht so schwer sein immer im Bezug zur jeweiligen Zeit das Kunstwerk zu zuordnen . Alle Facetten der der jeweiligen Zeit müssen in den Kontext gerückt werden. Erst wenn wir die Vergangenheit begreifen können wir im hier leben und die Zukunft gestalten .

  3. Gottfried Eggebrecht sagt:

    Sehr gute Idee. Aber warum hinterher das Kunstwerk und die aufwändige Restaurierung verstecken? Eine Erklärung und Einordnung wäre doch viel besser für diese Kunst. Und entweder ist es Kunst und regt den Betrachter zur Auseinandersetzung an, oder es wäre die Restaurierung nicht wert. Ich gehe vom ersten aus bei dem Maler. Schön, dass es erhalten blieb. Es sind Zeitzeugnisse einer prägenden Zeit.

  4. lutra sagt:

    Mmmh.
    Ob man ein Monumentalgemälde von der anderen Sorte Sozialisten auch erhalten hätte…?

  5. Stefan sagt:

    Nein lutra.

    Und ich meine hier nicht Künstler dieser Zeit, sondern Darstellungen, die dieses widerwärtige Gedankengut spiegeln. Es ist lediglich ein sich über andere erheben und geisteskranke Allmachtsfantasien in Farbe pinseln.

    Wer sollte das schon sehen wollen?

    Wenn Sie sich überlegen fühlen möchten, gibt es ein mannigfaltiges TV-Angebot, über den gesamten Tag verteilt, welches Ihnen das ermöglicht.

  6. Lutra sagt:

    @Stefan

    Nun, sie haben es mit widerlich korrekt beschrieben.

    Aber finden Sie Mauermörder, Menschenhändler, Stasispitzel, Wahlbetrüger usw. nicht auch widerlich genug, um verklärender Propaganda dafür keine Bühne geben zu wollen?

  7. Petzibaer sagt:

    Bei Arno-Breker Kunstwerken wird vermutlich Schnappatmung entstehen, weil sie einer Unperson der Geschichte gefielen, ähnlich bei Riefenstahl. Bei dieser Art von Kunst scheinbar kein Problem. Hern Ritter und Genossen wird es sicherlich gefallen. @Stefan hoffentlich auch. Sei’s drum.

  8. Stefan sagt:

    Dann darf ich auch in keine Wagner-Oper mehr gehen…?
    Sie finden in jeder Epoche Künstler mit, aus heutiger Sicht, fragwürdiger moralischer Haltung, oder entsprechendem Mäzen, oder Bewunderern.
    Als Beispiel könnte hier Paul Gauguin dienen.
    Die Gemälde werden für Millionen gehandelt, aber aus heutiger Sicht würde man von sexsistischen, teils sogar pädophilen, Neigungen sprechen.
    Über die Kolonialkunst als solche wollen wir gar nicht erst anfangen.

    Es gilt also Kunst immer im Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen zu sehen. Übrigens auch was Literatur betrifft.

    Für mich persönlich ist allerdings beim Nationalsozialismus und Kunst, welche diesen glorifiziert, eine ganz klare Grenze überschritten.
    Ich würde auch ebensowenig von Werken, welche den Völkermord in Ruanda, oder den Femizid an der weiblichen indischen Bevölkerung, verherrlichen, halten.