Nicht nur digital: Wie sich das Fernsehen in den letzten 30 Jahren gewandelt hat

8. Dezember 2021

Aktuell steht im normalen TV der Wandel wohl hintenan. Immerhin gibt es Revivals der Revivals und es würde niemanden wundern, wenn die Schwarzwaldklinik wieder auf den abendlichen Bildschirm kommt. Generell hat sich das Fernsehen in den vergangenen 30 Jahren natürlich massiv geändert. Das Testbild (auch in Form von Bahnstrecken und Aquarien) ist vergessen und vielen gar nicht mehr bekannt, die Sendezeiten sind usergewählt. Aber was gilt insgesamt?

Streaming und Co: Wir schauen, was wir wollen und wann wir es wollen

Es brauchen gar nicht die Streamingdienste zu sein. Denn auch das öffentliche Fernsehen hat den Frieden mit der hauseigenen Mediathek geschlossen und bietet das Fernsehen für jedermann zu jeder Zeit an. Dies gilt umso mehr, nachdem das analoge Fernsehen mittlerweile abgeschaltet wurde. Wie wichtig dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Mediathek ist, lässt sich an den Ausstrahlungszeiten erkennen: So manche der sehr nachgefragten Sendungen sind schon einen Tag, mindestens aber mehrere Stunden vor der TV-Ausstrahlung in der Mediathek abrufbar. Ein Beispiel: ZDF Magazine Royal ist meist ab 20 Uhr verfügbar. Damit springen die Mediatheken natürlich nur auf die gewöhnlichen Streamingdienste an. Es gilt allgemein:

  • Nutzerbestimmt – früher war es so, dass der Sender den TV-Genuss und damit die Tages- und Abendplanung vorgab. Der Zuschauer musste zu der Zeit am Gerät sitzen, alternativ hat er das Spektakel verpasst. Heute bestimmen Nutzer selbst, wann sie eine Sendung starten. Sie können bestimmen, ob sie einen Film in Häppchen sehen, ob sie eine Serie am regnerischen Samstag durchschauen oder ob sie das Spektakel mehrmals hintereinander schauen.
  • Sprachbestimmt – dieser Aspekt ist interessant. Zuerst begangen die Nachrichten- und Dokusender des privaten TVs damit, auch Sendungen im Originalton auszustrahlen. Mittlerweile ist der Sender ARD One dafür bekannt, den Originalton bei etlichen Formaten ganz normal zur Verfügung zu stellen. Das ist natürlich ein Aspekt, der aus dem eigentlichen Streaming nach Deutschland kam. Netflix, Prime, Disney und Co. bieten es ganz natürlich an, einen Inhalt in zig Sprachen zu schauen.

Grundsätzlich dürfte es denjenigen, die Streamingdienste verwenden, kaum möglich sein, einen Tag nichts zum Schauen zu finden. Die Auswahl ist einfach gewaltig, zumal Corona nun noch einen weiteren Aspekt ins Wohnzimmer gebracht hat: Viele Kinofilme starten direkt als Heimpremiere, zwar mit Zusatzkosten, doch sind 17 Euro für einen aktuellen Kinofilm auf der Couch meist günstiger als das Äquivalent mit Kinoticket, Fahrkarte/Parkschein, Popcorn und Co.

Kommerzialisierung des Sports

Rund um den Sport ist das neue Fernsehen sicherlich nicht ausschließlich positiv. Schon das Privatfernsehen hat die Kommerzialisierung vorangetrieben. Seit allerdings Streaming-Anbieter und Pay-TV mitmischen, kann es für Fan wirklich teuer werden. Was braucht ein Fußballfan, der den Sport, nicht aber einen Verein besonders mag?

  • Sky – hier läuft die Bundesliga, aber auch die Zweite Liga. Europäischer Sport wird ebenfalls gezeigt, doch wie die Ligaspiele nicht unbedingt ausschließlich.
  • DAZN – Champions League, Europa League und europäischer Fußball läuft hier.
  • Amazon Prime – ein Champions League Spiel wird dienstags auf Amazon gezeigt.
  • Magenta Sport – die 3. Bundesliga läuft ausschließlich bei Magenta.
  • TV – je nach Anschluss werden hier mehr Gebühren als die GEZ fällig. Aber die Nationalmannschaft läuft auf RTL, die Euro- und Conferenceleague auf RTL, RTL Nitro plus eigenem Streamingkanal, ein paar Spiele der Bundesliga auf der ARD, das Samstagabendsspiel der Zeiten Liga auf Sport 1, der DFB-Pokal auf Sky und, jeweils ein Spiel, in der ARD oder im ZDF. Die dritte Liga läuft hin und wieder samstags in den Regionalprogrammen.

Der normale Fan muss, grob überschlagen, monatlich knapp 60 Euro ausgeben, nur um Fußball schauen zu können. Ist ein Sportfan noch an anderen Sportarten interessiert, wird es schnell teurer. Reitsport, aber auch Golf, hat beispielsweise einen eigenen Streamingdienst, der wiederum kostet.

Vielfach wurde moniert, dass der Spieltag im Fußball zerstückelt wurde. Auch bei dieser Diskussion standen die TV-Angebote mit im Scheinwerferlicht, doch hatte wohl kein demonstrierender Fußballfan jemals gedacht, was künftig passiert. Ein Fan von Leverkusen, Frankfurt oder Union Berlin braucht aktuell TV Now, Sky und das ÖR-Fernsehen. Ein Osnabrücker, der nebenbei die Clubs aus der Region beobachtet, Sky, Magenta und die ÖR-Kanäle.

Die Inhalte im Fernsehprogramm

An und für sich könnte man behaupten, dass es keine großen Galas mehr gibt. Allerdings kommen eben die Größen des TVs aktuell wieder zurück:

  • Wetten, dass? – Thomas Gottschalk moderiert wieder das Format und erzielte am Starttag die absolute Einschaltquote.
  • TV Total – Stefan Raab steht nur noch in der Produktion, doch das Pro7-Format feierte letztens seine Wiedergeburt. Statt Raab sitzt nun Pufpaff hinter dem Schreibtisch.
  • Geh aufs Ganze – die Show kommt im November 2021 ebenfalls zurück.

Andere Shows, die in den vergangenen Jahren aktuell waren, wurden wahlweise vollständig auf den Kopf gestellt, mit neuen Moderatoren versehen oder auch abgesetzt. Einigen Fans der RTL-Shows dürfte nicht entgangen sein, dass die Dschungelcamp-Moderatoren nicht länger dabei sind. In den Dschungel werden die natürlich weiterhin geschickt, aber auch das Format wurde, nicht nur coronabedingt, auf den Kopf gestellt. Allgemein zeigt sich aber, dass das Programm auf einzelne Interessen abgestimmt ist – und sich dabei durchaus an YouTube-Stars und Influencern bedient:

  • Kochshows – Grill den Henssler – das ist nur die PrimeTime Show von VOX. So etliche Influencer schafften es auf den Spartenkanälen in die Top 10, wenn sie nicht gar durch diese Auftritte zu Influencern wurden. asSally ist nur ein Name unter vielen.
  • True Crime – ab einer gewissen Uhrzeit sind True Crime-Storys das Maß aller Dinge. Jeweils freitags und samstags widmet RTL Nitro den Fans der Formate den gesamten Abend, beginnend mit Medical Detectives und endend bei Serienmörderformaten mit diversen Namen.
  • Senderausgerichtet – die Sender unterscheiden sich schon. Während TLC sich als Sender inmitten des normalen Lebens bezeichnet und Angebote wie »Mein Leben mit 300 kg« oder dem Amischen Leben bringt, hat sich Nitro dem Sport und Kriminalgeschäft verschworen. RTL 2 trumpft weiterhin mit Scripted Reality auf und erklärt jedem Zuschauer, wie Menschen in Berlin oder Köln wirklich leben, alternativ auch, wie das Leben mit Hartz 4 aussieht.

Aber gibt es im normalen Fernsehen noch Straßenfeger? Im Streaming-TV gibt es sie durchaus, zumindest gibt es so etliche Fans von Serien, die morgens noch vor der Arbeit die neue Folge schauen, damit sie auch bloß nicht zufällig erfahren, wer stirbt. Aber Straßenfeger, wie damals »Raumschiff Orion«, das aus heutiger Sicht wohl wie ein Bügeleisen an der Wäscheleine wirkt, aber den absoluten Kultstatus innehält, sind rar gesät. Auch aus dem Ost-TV »Ein Kessel Buntes« oder »Das Beste aus Bong« ist nichts mehr zu finden.

Straßenfeger ist allerdings heute auch ein schlechter Begriff, denn niemand kann etwas wirklich verpassen. Selbst diejenigen, die nicht zufällig erfahren wollten, wer bei »Game of Thrones« stirbt, waren sich darüber bewusst, dass sie die Folge jederzeit gucken konnten. Sie wollten nur nicht aus Schlagzeilen den Folgeninhalt erfahren. TV-Inhalte sind heute schlichtweg immer verfügbar, selbst wenn ein Streamingdienst notwendig ist. Niemand schaut heute die TV-Zeitung im Voraus an, um die Abendgestaltung zu planen. Was im TV kommt, ist im Internet ohnehin vorhanden.

 Fazit – immer verfügbar, manchmal teuer

Das Fernsehen von heute ist anders als damals. Rund um den Sport hat sich das Angebot sicher verbreitert, doch nicht unbedingt verbessert, denn Fußballfans benötigen einen eigenen Terminkalender, nur um die Kanäle und Dienste nachhalten zu können. Im analogen TV erleben gerade die Klassiker ihre Neuauflage, wobei hier zu prüfen ist, ob die Zuschauerbegeisterung auch anhält. War »Wetten, dass« nun ein Renner oder wollten die Zuschauer doch nur sehen, ob es der Moderator noch kann?

Fotos: adobe.stock / andreaobzerova;  adobe.stock / DeshaCAM


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