Pastoren stimmen gegen Ortsumgehung

19. September 2013

Waren. Leif Rother, Pastor der Mariengemeinde Waren, und Anja Lünert, Pastorin der Georgengemeinde Waren, wenden sich jetzt mit offenen Briefen an die Einwohner Warens. Darin argumentieren beide gegen die geplante Ortsumgehung und erklären, dass sie am kommenden Sonntag gegen dieses Vorhaben stimmen werden. Wir veröffentlichen beide Briefe hier ungekürzt.

Liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Waren!

Am kommenden Sonntag haben Sie alle die Möglichkeit, über die Ortsumgehung abzustimmen. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass es zu diesem Projekt sehr verschiedene Perspektiven und Standpunkte gibt, und jede und jeder ist frei, diese zu vertreten und seine eigene Entscheidung zu treffen.

Mit dem Bürgervotum aber entscheiden wir meines Erachtens nicht nur über Straßenvarianten, sondern vielmehr über die Zukunft unserer Stadt. Seit 21 Jahren darf ich in dieser bezaubernden Stadt leben und arbeiten. Wir, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, haben dazu beitragen dürfen, dass sich Waren nach der Wende zu einer wunderbaren Perle zwischen drei Seen entwickelt hat. Viele Menschen, die hier bei uns Urlaub machen, beneiden uns, dass wir an einem so großartigen Ort inmitten einer herrlichen Natur leben dürfen. Nicht nur die Müritz, auch die Feißneck und der Tiefwarensee sind Keimzellen der besonderen Atmosphäre unserer Stadt.

Täglich suchen viele Klinikpatienten, Touristen, Einheimische, Bewohnerinnen und Bewohner der Senioreneinrichtungen mit ihren Angehörigen dort Entspannung und Erholung. Stimmen Sie mit „JA“ für die Ortsumgehung, dann wird mit großer Wahrscheinlichkeit in ca. 10 Jahren eine große Brücke über den Tiefwarensee gebaut. Damit würde der Stadt, in ihrer Atmosphäre, ihrer touristischen Anziehungskraft und damit ihrem Entwicklungspotential eine schwere Verletzung zugefügt. Aus vielen Gesprächen weiß ich, wie groß die Narbe der „Komplexen Verkehrslösung“ von 1972 für viele Menschen immer noch ist. Die Stadt wurde de facto geteilt. Nur mit größten städtebaulichen Anstrengungen konnte man diese Verletzungen heilen, aber Narben sind bis heute geblieben, weil der Schatz der nördlichen Altstadt damals unwiederbringlich verloren ging.

Damals wurden Fehler gemacht aber heute sind wir nicht mehr dazu verdammt, sie zu wiederholen. Eine Ortsumgehung mit Brücke über den Tiefwarensee würde Stadtgebiete wie z.B. Warenshof und Waren Nord trennen, einzigartige Natur, den Schatz, von dem wir hier leben, zerstören. Natürlich verstehe ich die Last derer, die täglich unter dem Lärm der B 192 leiden. Doch wie alle im Prozess der Bürgerbeteiligung erfahren konnten, wird eine signifikante Lärmminderung im Bereich der jetzigen B 192 durch einen Brückenbau über den Tiefwarensee nicht wirklich erreicht. Nachhaltige Lärmminderung ist mit baulichen Lärmschutzmaßnahmen an den betroffenen Häusern sehr viel effektiver möglich und wird von öffentlicher Hand bis 100% gefördert, unter der Bedingung, dass die Ortsumgehung nicht gebaut wird.

Aus Liebe zu unserer Stadt, vor allem im Blick auf unsere Kinder und Enkel, werde ich am kommenden Sonntag mit „Nein“ zur Ortsumgehung votieren.

Leif Rother, (Pastor der Mariengemeinde)

 

Liebe Warener, liebe Mitbürgerinnen!

Am Sonntag werden wir über den Bau einer Ortsumgehung abstimmen. Schon seit Jahrzehnten wird über eine Entlastung unserer Innenstadt debattiert. Für Anwohner in Mozartstraße, Röbeler Chaussee, Schweriner Damm und Strelitzer Straße ist der Verkehrslärm nur schwer erträglich. Veränderung ist nötig. Darin sind sich alle einig.

Trotzdem oder gerade deshalb werde ich persönlich am Sonntag gegen den Bau der Umgehung stimmen. Für mich ist deutlich, dass die Planung einer Ortsumgehung weniger dem Lärmschutz und der Verkehrsentlastung in Waren geschuldet ist, sondern ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgt. Es ist davon auszugehen, dass eine Ortsumgehung eben nicht den Großteil des Verkehrs um die Stadt herum leitet. Hinzu kommt, dass die favorisierte Variante mit der Brücke über den Tiefwarensee sehr stadtnah verläuft. Wir leiten mit der Umgehung den Verkehrslärm nicht aus der Stadt heraus, sondern sorgen für Verlärmung weiterer Wohngebiete, schließen eine weitere Stadtentwicklung von vorneherein aus und zerstören ein einzigartiges Naturgebiet für immer.

Auch wird die Ortsumgehung im Zusammenhang des geplanten Ausbaus der B 192 nicht weniger, sondern mehr Schwerlast- und Personenverkehr nach Waren bringen. Damit verfehlt die Umgehung das von uns Warenern angestrebte Ziel der Lärm- und Abgasminderung völlig.

Unsere Stadt lebt vor allem vom Tourismus. Der Tourismus wiederum lebt von einer schönen und lebendigen Stadt und von einer heilen Natur und Umgebung. Gerade der Tiefwarensee ist eine Perle der Naherholung. Sommers wie winters begegnen mir am See zahlreiche Gäste. Nicht zuletzt suchen auch Warener hier Ruhe, denn Fakt ist: Waren hat ein Lärmproblem.

Ich persönlich plädiere dringend für Investitionen hinsichtlich des Lärmschutzes! Auf den Bürgerversammlungen kam mehrfach zur Sprache, dass die Umgehung allein das Lärmproblem in Waren nicht lösen kann, sondern dass sie nur im Zusammenspiel mit weitreichenden Lärmschutzmaßnahmen den erwünschten Erfolg bringen wird. Entscheiden wir uns für die Brücke, werden jedoch keine Finanzen mehr für Lärmschutz bereitgestellt.

Das ist vielen Bürgern nicht deutlich.

Der Schutz der Menschen und Tiere vor Lärm- und Umweltbelastungen beinhaltet für mich keine Schnellstraßen durch Naturschutzgebiete, sondern im Gegenteil eine Verlangsamung des Verkehrs und des Lebens. Die Tempo-30-Begrenzung für die Nachtstunden ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht ausreichend. Da können viel mutigere Schritte gegangen werden.

Nur wenn es eben nicht mehr in erster Linie um Reisezeitverkürzungen geht, sondern wir dagegen auf Entschleunigung setzen, wird die Ortsdurchfahrt Waren für Schwerlasttransporter uninteressant und der Ausbau der B 192 als das deutlich, was er ist: völlig unnötig und unsinnig.

Ich möchte mit meinem entschiedenen „Nein“ ein deutliches Zeichen gegen die Beschleunigung der uns von Gott geschenkten Zeit setzen!

Ihre Pastorin Anja Lünert, St. Georgen Waren


2 Antworten zu “Pastoren stimmen gegen Ortsumgehung”

  1. Jens Rupprecht sagt:

    Hochachtung vor dem Rückgrat dieser beiden Pastoren, ihre persönliche Überzeugung so zu vertreten. Schließlich laufen sie Gefahr von Teilen ihrer Kirchgemeindemitglieder nicht verstanden zu werden und von diesen harsche Kritik zu erhalten.

  2. Jochen Eicke sagt:

    Meinen großen Respekt vor dem Mut, der Ehrlichkeit und der klaren Position der beiden Pastoren, sich so offen gegen eine Ortsumgehung auszusprechen. Danke! An dieser offenen Haltung können sich viele Stadtpolitiker ein Beispiel nehmen!