Wie kann man jungen Leuten nahe bringen, wie gespannt die Atmosphäre im Oktober 1989 in Waren und in der DDR war? Das war eine der Fragen, die sich etwa 60 bis 80 Menschen gestern Abend in der Innenstadt von Waren stellten. Mit Kerzen in der Hand gingen sie den Weg zwischen den beiden evangelischen Kirchen St. Georgen und St. Marien nach, den am 16. Oktober 1989 die ersten Demonstranten gegen die DDR-Diktatur gegangen waren. „Ist das hier ein Laternenumzug?“, fragten einige sichtlich überraschte Passanten in der Langen Straße. Schweigend zogen die Kerzengänger vorbei, fast wie damals.
„Was dabei oft vergessen wird, damals 1989 gab es zwei Diakone in beiden Gemeinden – Michael Lewek und Martina Domann, die die Idee dazu hatten“, erinnerte sich die Warener Ärztin Gisela Dunker, die zur Mariengemeinde gehört. Diese Diakone hatten 1989 Kontakt zu einer Gruppe um den Vikar Christoph de Boor, Manuel Köpp und Kinderarzt Thomas Müller, die das Neue Forum und die erste Montagsdemonstration nach einem Friedensgebet in der St. Georgenkirche organisierte.
Der erste kleinere Demonstrationszug, unter dem Motto „Eine Hoffnung lernt laufen“, ein Satz von Martina Domann, endete 1989 in der St. Marienkirche. Der zweite Demonstrationszug, zu dem am 23. Oktober schon viel mehr mutige Warener Bürger kamen, führte an der Marienkirche vorbei und endete auf dem Neuen Markt. Dort beendete Pastor Hans Henning Harder, Warens späterer Ehrenbürger, den Abend mit einem öffentlichen Vaterunser.
„Ich hatte große Angst“, gestand Gisela Dunker, denn in der Großen Wasserstraße war damals die Bereitschaftspolizei angerückt. Die Demonstranten wurden schon beim Gang in der Schulstraße, als sie in großer Zahl und mit Kerzen in der Hand aus der zu engen Georgenkirche kamen, von der Stasi beobachtet und argwöhnisch beguckt. Eine andere Staatsform als der Sozialismus, in dem die SED als „Partei neuen Typus“ wie sie sich bezeichnete faktisch immer Recht hatte, war für viele gar nicht denkbar.
Heute ist das eher andersherum. Wer lässt sich vom Staat schon gern bevormunden. Am Samstag erinnerte auch der Posaunenchor an die Zeit vor 32 Jahren. Bei der, nun auch offiziellen, Vorstellung des Kerzendenkmals von Franz Poppe wurden die Choräle „Die Gedanken sind frei“ und „Sonne der Gerechtigkeit“ gespielt. Das waren Momente, an denen ein bisschen das Gefühlt aufkam, der Stimmung von 1989 nah zu sein.
Allerdings fehlten viele der Protagonisten von damals. So waren Bürgermeister Norbert Möller, sein Vorgänger Günter Rhein und Vertreter des Landes dabei. Von den Aktiven von 1989 aber nur wenige wie Franz Poppe und Gisela Dunker. „Da ist es gut, dass das Regionale Bildungszentrum Waren jetzt ein Projekt „Wurzeln entdecken“ gestartet hat“, sagte Möller. Dabei sollen Leute befragt werden, die damals aktiv waren. Vielleicht gerade noch rechtzeitig. Die besondere Stimmung von damals nachzuvollziehen, wird aber schwer. Das ist am ehesten vielleicht spürbar, wenn man den Ton eines – damals verbotenen – Mitschnittes von Radio Friedrich hört.