Ungewöhnlicher Farb-Streit: Herzen für eine weiße Kapelle

Die „Mauer“ fiel 1989, weil die SED nicht auf so viele Demonstranten mit Kerzen in den Händen gefasst war. Auf ein ähnliches Wunder hoffen viele Einwohner im ungewöhnlichen Farbenstreit um die Kapelle in Vitt auf Rügen. Einer oder mehrere von ihnen haben dafür nicht zu Kerzen, sondern sozusagen „zu Herzen gegriffen“ (WsM berichtete). Darauf deuten die bisherigen Ermittlungen hin.
In der Nacht zum 25. Juli hatten Unbekannte das Gotteshaus für die Fischer in Vitt mit 26 Herzen bemalt. Die Außenfarbe der Kapelle ist eine Art ocker oder terrakotta – die Herzen wurden in Weiß gehalten. „Das ist eine deutliche Stellungnahme“, sagte Bürgermeisterin Iris Möbius.

Denn am Tag nach der Malerei, die der Pastor als „Schmiererei“ bezeichnet, kam mit Tilman Jeremias ein Bischof der Nordkirche nach Vitt, um eine Uferpredigt zu halten. Ob sich der Bischof dazu geäußert hat, ist unklar

Denn um die Farbe wird seit drei Jahren heftig gestritten, worauf auch ein Protestplakat hinweist. Einwohner des Ortes wollten eine weiße Kapelle behalten, wie sie immer schon war, seit sie denken können. Da bei Untersuchungen aber eine andere historische Grundfarbe gefunden wurde, hatte sich Pastor und Kirchengemeinderat wohl für ocker entschieden – zum Unmut der meisten Anwohner.

Nun, fast einen Monat nachdem der Vorfall bekannt wurde, ermittelt die Polizei wegen Sachbeschädigung und hofft auf Zeugenhinweise. Bisher hat sich noch keiner gemeldet, erklärte ein Sprecher WsM.

Dafür hat der Pastor schon Ermittlungen angestellt: So soll der Schaden mit 22 000 Euro deutlich höher liegen, als die von der Polizei geschätzten 2000 Euro. Der Grund ist, dass die Dispersionsfarbe für die 26 Herzen nicht so einfach entfernt werden kann. Bei früheren Vorfällen, als mit Kreide weiße Rechtecke aufgemalt worden waren, waren diese abgewaschen worden. Nun ist vorerst noch unklar, was passiert.

Einige Anwohner haben aber schon eine Idee. Wenn man sich von Seiten der Kirche durchringen könnte, und den dort wohnenden Leuten ihre „weiße Kapelle wiederzugeben“, dann hätte man genügend Spender. Schließlich habe die Denkmalpflege nur eine Farbempfehlung gegeben.

Nicht nur in Vitt seien alle anderen Häuser weiß – ähnliches finde man auch auf Bornholm und an anderen Orten an der Ostseeküste, wo Kirchen nicht in rotem Backstein gebaut wurden. Die Bürgermeisterin würde das auch begrüßen, ließ sie durchblicken.