Wolfsangriff oder nicht – das ist hier die Frage

24. Juni 2023

Die Berichte über einen mutmaßlichen Angriff eines Wolfes auf einen Mann haben Ende April in der Mecklenburgischen Seenplatte für viel Unruhe gesorgt. Und nicht nur hier. Auch bei Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). Der beeilte sich, zu verkünden, dass es kein Wolfsangriff gewesen sei und drohte sogar mit Anzeigen wegen Verleumdung. Einer, der die bisherigen Erklärungen des Minister nicht einfach so akzeptieren will, ist der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Diener. Der Politiker – selbst Landwirt – hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, Akteneinsicht genommen und dem Minister jetzt eine Liste mit sehr heiklen Fragen zum Angriff geschickt. Denn seinen Angaben zufolge gibt es in diesem Fall doch einige Ungereimtheiten. „Es sieht so aus, dass nicht sein kann, was nicht sein darf“, glaubt Diener. Wie lange er auf eine Antwort aus dem Ministerium warten muss, ist unklar, doch zwischenzeitlich macht Diener auf das Thema „Wolf“ auch auf unkonventionelle Art und Weise aufmerksam –im Wolfskostüm im Schweriner Schloss. 
Und das war passiert:

Am 19. April hielt ein Autofahrer – selbst Jäger – im Waldgebiet zwischen Wredenhagen und Below an, weil die Blase drückte. Plötzlich, so die Schilderung, sei er von einem Wolf angefallen und gebissen worden (Foto rechts) . Der Mann musste sich anschließend in einem Krankenhaus behandeln lassen. Er selbst identifizierte das Tier als Wolf und auch die Bissspuren am Arm und auf der Kleidung bestätigten die Einschätzung des Betroffenen. Zahlreiche Jägerfreunde und verschiedene Wolfskenner teilten diese Ansicht.

Nicht so der Landwirtschaftsminister, der in einer Pressemitteilung erklärte, dass Untersuchungen ergeben hätten, dass der Mann von einem Wolf-Hund-Hybriden gebissen worden sei. DNA-Proben – zwei Rissabstriche, Speichel an Stoff des Pullovers, Haare an Pullover  – hätten einen Hund als Angreifer identifiziert. Außerdem habe man  Kotproben vor Ort genommen. „Die untersuchten Kotproben waren an dem Ort der Attacke genommen worden. Das heutige Untersuchungsergebnis bestätigt unsere Aussage: Auf Basis aller vorliegenden Daten ergibt sich kein Hinweis auf die Beteiligung eines Wolfes oder Wolf-Hund-Hybriden. In unserem postfaktischen Zeitalter vermag diese wissenschaftlich fundierte Aussage die Gerüchteküche vielleicht nicht zu schließen. Für mich ist die Sache damit jedoch erledigt. Nicht erledigt sind jedoch verleumderische Aussagen, die im Zusammenhang mit dem Vorfall über meine Person getätigt wurden. Diese werden wir zur Anzeige bringen“, so Minister Backhaus erbost.

Doch wer hat die Proben überhaupt entnommen und vor allem, lief alles fachgerecht und vorschriftsmäßig ab? Das ist nach Ansicht von Thomas Diener nämlich überaus wichtig.

Kot-Spuren als Beweis?

Die Firma Schuchardt Umweltplanung GmbH habe beispielsweise Kotproben, die erst Tage später vor Ort aufgesammelt wurden, untersucht. Die GmbH hat Recherchen des Landtagsabgeordneten zufolge ihren Gesellschaftssitz mehrfach gewechselt – von Ankershagen nach Wesenberg, Perleberg, und nun soll der Sitz in Waren in der Ernst Alban-Straße 9 sein. Dort gibt es tatsächlich einen rostigen Briefkasten (Foto) mit der entsprechenden Firmenanschrift. Mitarbeiter der besagten Umweltplanung GmbH kennt in der Nachbarschaft nach Recherchen von „Wir sind Müritzer“ aber keiner. In diesem Zusammenhang interessiert Thomas Diener aber noch eine andere Frage: Anfänglich war Marika Schuchardt Geschäftsführerin und Eigentümerin jenes Unternehmens, das die Wolfsspuren untersucht hat, zwischenzeitlich wurde ein Jens Geißler eingesetzt. „Handelt es sich bei Frau Schuchardt um eine Mitarbeiterin des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie? Falls ja, seit wann ist sie in dieser Tätigkeit und gibt es darüber hinaus weitere arbeitsrechtliche oder vertragliche Verbindungen? “ Zur Erklärung: Besagtes Landesamt ist dem Ministerium von Till Backhaus unterstellt.

„Nach dem Angriff sind von der Firma Umweltplanung Schuchardt in der Nähe des vermeintlichen Wolfsbisses Kotproben genommen worden. Diese Strecke ist eine beliebte Gelegenheit für viele Dorfbewohner, mit ihren Hunden regelmäßig Gassi zu gehen; Kotproben von Hunden in diesem Bereich und allen anderen Feldwegen bis zum Dorf sind keine Seltenheit“, so Thomas Diener. Auch beim betroffenen Jäger seien erst Tage später Proben von seinen Kleidungsstücken genommen worden. „Wenn da keine Hundehaare gefunden worden wäre, hätte es mich gewundert, da er selbst zwei Jagdhunde besitzt“, zweifelt der CDU-Politiker die Untersuchung an.

Als was hat Backhaus Anzeige erstattet?

In Dieners Anfrage heißt es weiter: „Bei den endgültigen Proben-Ergebnissen zur Kern-DNA, die für eine Individualisierung nötig wären, war bei sämtlichen 4 Proben entweder die Probenqualität nicht ausreichend oder eine Artbestimmung nicht möglich. Bei der ‚gröberen‘ Vorbestimmung über die mtDNA wurden insgesamt drei Haplotypen gefunden: H11, H19 und Be3. Bei der späteren Kontrolluntersuchung der beiden eigenen Hunde wurden ebenfalls die Haplotypen H11 und H19 gefunden. Wie ist hier der inhaltliche Zusammenhang mit dem vermeintlichen Wolfsbiss herzustellen?“

Nachfragen von Diener im zuständigen Ordnungsamt der Stadt Röbel hätten zudem ergeben, dass in diesem Bereich keine freilaufenden oder „wolfsähnliche“ angemeldete Hunde bekannt seien

Bei allen Ungereimtheiten, die Minister Backhaus mit Anzeigen gegen Skeptiker beantwortet, möchte Thomas Diener in seiner Anfrage zudem wissen: Wogegen richtet sich diese Anzeige?  In welcher Funktion ist diese Anzeige erstattet worden (Minister, Abgeordneter, Privatperson) und wer trägt die Aufwendungen und Kosten?“

Der Politiker abschließend gegenüber „Wir sind Müritzer“: „Man hat den Eindruck dass hier nicht alles so gelaufen ist, wie es sollte, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Foto unten: Thomas Diener mit der CDU-Landtagsabgeordneten Ann Christin von Allwörden


4 Antworten zu “Wolfsangriff oder nicht – das ist hier die Frage”

  1. ABC sagt:

    Wenn man im Fernsehen sieht, wie akribisch bei Kriminalfällen ermittelt wird, mit diesen weißen Schutzanzügen, um Verschmutzungen des Beweismaterials zu verhindern, da erscheint die Beweissicherung in diesem Falle wie eine Farce. Der Herr Minister erinnert mich in dieser Situation an solche Menschen, die in einem Konflikt mit der Faust drohen, wenn man noch ein Wort sagt. Entweder Klappe halten, oder es gibt was… Unter anderem stellt sich mir die Frage, ob wir jemanden, der so reagiert, als Minister überhaupt brauchen. Er selber ist ja auch nicht gebissen worden. Bei solcher Verletzung hätte er wohl ganz schön gezuckt – oder eben dem angreifenden Tier mit sofortiger Anzeige gedroht. Dann wäre er stracks in besagtes Labor gelaufen und die hätten in nunmehr vollständiger Verwirrung festgestellt, dass er sich wohl selber gebissen hat. Es kann dann höchstens noch der Yeti oder ein Vertreter der Präastronautik für die Bissattacke verantwortlich sein. Denn Wölfe, ja die beißen doch nicht. Ironieende.

  2. Jürgen sagt:

    Ja unser Till ist nun schon soooooooo lange Minister,da ist das Nervenkostuem manchmal ein bisschen dünn,was soll’s,mit dem Wolf ist nicht zu spaßen,wenn im besagten Wald was eindeutig Wolfsgebiet ist,etwas passiert ist sollte man das auch denjenigen glauben und nicht Drohungen aussprechen. Nur mal so nebenbei gesagt,es gibt Probleme in der Kyritzer Heide und auch den Belower Wald mit Hybridwoelfen,das aber schon viele Jahre.Es darf nicht soviel darüber geredet werden,damit die Bevölkerung nicht beunruhigt wird.So,wenn das veröffentlicht wird werde ich wohl auch verklagt,werde es überleben.Der Wolf ist jetzt hier angekommen,habe es einmal erlebt ihn in freier Natur zu sehen,Ruppiner Heide,schön und ein bisschen schaurig zugleich.mit freundlichen Grüßen

  3. Willy sagt:

    Die Äußerung des Ministers zeigt, das er die Sorgen der/des Bürger/s nicht Ernst nimmt.

  4. A. Scholz sagt:

    in Niedersachsen wurden mutmaßliche Angriffe auf Menschen auf dieselbe Art und Weise behandelt.
    wenn hier das Wolfsbüro(!) mit DNA-Aufnahmen, Spurensicherung und Tathergangsermittlung zuständig ist – anstatt Polizei und Staatsanwaltschaft – ist äußerst naheliegend, welches Ergebnis im Sinne der Wölfe und deren Nutznießern, das Wolfsbüro, herauskommen muss.