Epidemien und Pandemien im 19. Jahrhundert in Waren

9. März 2021

Die Corona-Pandemie bestimmt seit Monaten das öffentliche Leben wie das Befinden jedes Einzelnen. Starke Epidemien und Pandemien gab es aber auch früher. Wie sich diese auf und in Waren auswirkten, zeigen Beispiele aus der städtischen Chronik im 19. Jahrhundert.
Eine Auswertung der Begräbnis- bzw. Sterberegister der Kirchenbücher zeigt die Jahre, in denen besonders viele Todesfälle zu beklagen waren. Uwe Weiß, neuer Chef des Stadtgeschichtlichen Museums in Waren, hat mal in diesen Büchern geblättert und interessante Fakten über die Auswirkungen der Epidemien und Pandemien an der Müritz zusammengestellt.

So waren es im Jahr 1808 die Blattern, denen 75 Kinder und ein 25-jähriger Mann zum Opfer fielen. Die Ruhr forderte 1810 zwölf und 1811 fünfzehn Menschenleben, weitere siebzehn Menschen starben 1811 an den Masern. Unter den 148 Toten des Jahres 1813 waren 51 Opfer einer Fleckfieberepidemie, die zu Beginn des Jahres 1814 noch weitere 48 Tote forderte. Die ersten beiden Fälle betrafen im März 1813 zwei Bewohner des Armenhauses.
Zwischen dem 24. Juli und 21. Dezember des Jahres 1817 starben 61 Kinder an Scharlachfieber.
Im Jahr 1829 starben wieder 26 Kinder an den Frieseln.

Pocken forderten viele Todesopfer in Waren

Die große Zahl der Gestorbenen im Jahr 1831 war eine Folge des Nervenfiebers – einer Typhus-, wohl eher Choleraepidemie. Ihr fielen allein zwischen Juni und November 41 Menschen zum Opfer. Im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten waren vor allem Erwachsene betroffen. Unter den Toten waren unter anderem ein Chirurg, ein Arzt, die erwachsene Tochter eines weiteren Arztes und der Frohnereipächter.

Zur Abwehr und gegen die Einschleppung und Ausbreitung der Seuche gehörten auch damals die Absperrung der Grenzen und der Einsatz eines Militärkommandos zum Eindämmen der Seuchenherde. Eine Vorsichtsmaßnahme gegen die Verbreitung der Cholera „auf dem Postwege“ war das Räuchern der Briefe, heute noch sichtbar an den durchstochenen Papieren.

1838 war die Zahl der an „Auszehrung“ Gestorbenen außergewöhnlich. Die erhöhte Zahl der Todesfälle 1861 war auf eine Erkrankung an Frieseln/Masern zurückzuführen. Die schwere Pockenepidemie, die Deutschland nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 heimsuchte, verschonte auch Waren nicht. Sie soll von gefangenen Franzosen eingeschleppt worden sein. 1871 und 1872 starben 42 bzw. 28 Menschen an den Pocken, die meisten zwischen Oktober 1871 und Februar 1872.

Erste Fälle traten im Juli 1871, die letzten im Juni 1872 auf. Fast in jeder Straße las man an den Häusern in weißer Schrift auf schwarzer Holztafel: „Hier ist Pockengift!“. Es war äußerste Vorsicht befohlen und den Fußgängern vorgeschrieben worden, nur die Fahrstraße zu benutzen.
Ludwig Werner, Sohn eines Warener Lehrers, erinnerte sich: „Aufopfernd und ihrer selbst vergessend traten vor allem die Ärzte ein; trotzdem aber war die Zahl der Toten zuweilen so groß, dass sie bei Tage nicht alle beerdigt werden konnten und die Nächte zu Hilfe genommen werden mussten. So ging es fort, die Tage und die Nächte, und noch immer wollte die Zahl der Erkrankungen nicht abnehmen. Es war unheimlich! Schließlich war sogar schon ein an Verzweiflung grenzender Gleichmut über die Einwohner gekommen – da endlich ließ die Seuche nach und erlosch allmählich!
Und nach fünfwöchentlichen Ferien konnte auch der Unterricht in den Schulen wieder aufgenommen werden. Der Magistrat aber ließ auf Schlaaffs Vorschlag den treuen Ärzten und allen freiwilligen Helfern während der Blatternepidemie eine Erinnerungsgabe zustellen mit der Zusicherung bleibenden Angedenkens in der Geschichte der Stadt!“

Die Pocken konnten schließlich erst  durch eine Impfung ausgerottet werden – die erste und bislang einzige Impfpflicht in Deutschland.

In Deutschland forderte die Epidemie rund 180.000 Menschenleben, etwa viermal so viel wie der Krieg gegen Frankreich (M. Vasold: Das große Sterben hinter der Front. In: Die Zeit Nr. 46 vom 8.11.1996).

Zwanzig Jahre später machte die von Hamburg ausgehende Choleraepidemie Ende August 1892 auch in Waren mehrere Gegenmaßnahmen und die Überwachung der Situation erforderlich.

Quelle: Stadtgeschichtliches Museum Waren
Fotos: Screenshot: ARD-alpha


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