Mordprozess: Richter kritisiert Warener Anwalt – Zwei Schüsse tödlich – Schnelles Urteil geplant

6. August 2018

Im Prozess um die Gewalttat, bei der eine Warener Anwältin starb, hat der Richter Jochen Unterlöhner Kritik am Vorgehen eines Anwaltskollegen aus der Müritz-Region angedeutet. Nach dem Urteil des Landgerichtes 2014 war eine Zwangsversteigerung des Hauses der Familie des späteren Opfers möglich, erläuterte Unterlöhner am Montag bei der Fortsetzung des Prozesses. Das hätte der Anwalt, der damals den jetzigen Angeklagten Siegfried B. vertrat – ein langjähriger Kollege der getöteten Anwältin – wissen müssen. „Sie hätte ihren Anspruch von fast 100 000 Euro zwangsvollstrecken lassen können“, sagte der Richter zum 80-jährigen Angeklagten. Dann wäre er an sei Geld gekommen.

Er sei da nicht so bewandert, antwortete der 80-Jährge. Das fragliche Haus steht in einem Dorf bei Waren an der Müritz.

Nach dem umfassenden Geständnis des Angeklagten am ersten Prozesstag berichteten nun zwei Männer, wie der 80-Jährige über die Jahre immer verbitterter wurde. Siegfried B. hatte zugegeben, die 67 Jahre alte Juristin am 1. Februar mit drei Schüssen getötet zu haben. Hintergrund war, dass sich der Ehemann des Opfers von 1999 bis 2002 rund 94 000 Euro von seinem „Freund“ geliehen hatte, um Geschäfte mit weißrussischen Bekannten zu machen.

Aus den Geschäften der „Ost-West-Handels GmbH“ wurde zwar nichts, aber Siegfried B. bekam sein Geld – obwohl er sich mehrfach die Anwältin und deren Mann wandte – trotzdem nicht wieder.

„Über den Nuckel gezogen“

Mit Unterstützung des Warener Anwaltes erstritt sich Siegfried B. bereits im Juni 2014 ein Urteil des Landgerichtes, dass das Paar ihm fast 100 000 Euro schuldet, aber auch danach floss kein Geld. Schulfreund Otto Petrik schilderte vor Gericht, wie er über Jahre miterlebte, dass man seinen Bekannten „über den Nuckel gezogen hat.“ Siegfried B. habe nicht mehr schlafen können und hätte dringend Hilfe benötigt. „Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie so etwas nach einem Urteil überhaupt möglich ist.“

Auch der Warener Architekt Erhard Eisen hatte sich für Siegfried B. eingesetzt. „Ich wollte die Anwältin überzeugen, dass sie eine Ratenzahlung beginnt, damit die Rückzahlung wenigstens beginnt“, sagte er vor Gericht. Da sei er von der Anwältin hinausgeworfen worden. „Ich halte das Ganze (den Betrug) für eine vorsätzliche Tat der Eheleute“, erläuterte Eisen. Er habe selbst „vier vollstreckbare Titel“ und weiß wovon er rede. Der Angeklagte sei ein Einzelgänger, mit dem aber jeder gut auskommen könne. „Ich hätte nicht gedacht, dass es soweit kommt.“

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann aus einem Hochhaus in Waren Mord aus Heimtücke vor. Das Gericht gab am Montag aber auch den rechtlichen Hinweis, dass es sich um Totschlag handeln könnte. Auf Mord steht lebenslänglich, bei Totschlag können bis zu 15 Jahre Haft verhängt werden.

Zwei Schüsse tödlich

Am Montag hörte die Schwurgerichtskammer außerdem die Greifswalder Gerichtsmedizinerin Britta Bockholdt an. Sie erklärte, dass auf die Juristin drei Schüsse abgefeuert wurden, von denen zwei tödlich waren. Vermutlich wurden die ersten Schüsse abgegeben, als das Opfer am Schreibtisch stand und sich leicht nach vorn gebeugt habe. Die Anwältin wurde in den Hals getroffen, was schon tödlich war, und in die linke Wange. Bei den Ausführungen von Bockholdt blieb die Tochter des Opfers im Gerichtssaal, der Sohn verzichtete auf das Zuhören und ging hinaus.

Zwei Mitarbeiter des Versicherungsbüros in der Mauerstraße zwei Etagen tiefer berichteten von zwei schnell nacheinander abgegebenen Schüssen und einem ein paar Sekunden später. „Das kommt hin“ meinte Bockholdt. Der dritte Schuss war sofort tödlich. Die Kugel habe die Frau in einen Mundwinkel getroffen und dann auch das Gehirn. Da müsse sie schon gelegen haben oder nach gefallen sein, vermutete die Expertin.

Richter Unterlöhner regte alle Beteiligten zudem an, die Gutachten über DNA-Spuren des Opfers an der Kleidung des Angeklagten und auch über Schmauchspuren bei den Schüssen selbst zu lesen.

Psychiatrisches Gutachten am Dienstag

Die Anwälte der Nebenklage stellten Anträge auf eine finanzielle Entschädigung ihrer Mandanten durch den Angeklagten, was im Prozess festgelegt werden solle. Die Entscheidung darüber verschob der Richter aber auf Duienstag. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte, er wisse bisher nur etwas von Beerdigungskosten, über die beide Seiten im Gespräch seien. Dass aber noch Ansprüche im Namen des Ehemannes des Opfers gemacht würden, halte er für abwegig. Der Mann, der sich das Geld geliehen hatte, konnte zwar noch 2014 im Zivilprozess aussagen, ist jetzt wegen Demenz aber nicht mehr vernehmungsfähig, wie die Anwälte der Nebenklage berichteten.

„Der Alte hat das ganze Geld verzockt“, soll die Anwältin von ihrem damaligen Ehemann gesagt haben, wie die Kinder vor Gericht erklärten. Der Angeklagte selbst sah mit dem fehlenden Geld seinen Lebenstraum vom eigenen Hausbau geplatzt. Er erzählte am Montag, dass er dem inzwischen dementen Geschäftsmann von seiner Verzweiflung berichtet habe und davon, dass er sich das Leben nehmen und dann „jemand aus der Familie mitnehmen“ wolle. „Na dann mach doch, brings hinter Dich“, habe der Geschäftsmann gesagt.

Die Schwurgerichtskammer will den Prozess weiter sehr zügig verhandeln. Morgen soll zunächst das psychiatrische Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten vorgetragen werden. Wenn dann kein weiteren Beweisanträge kommen, will Richter Unterlöhner bereits die Plädoyers entgegennehmen. Noch am Nachmittag könnte dann das Urteil folgen. Experten rechnen damit, dass Siegfried B. wegen Totschlags eine längere Freiheitsstrafe erhalten könnte.

Fotos: Felix Gadewolz


2 Antworten zu “Mordprozess: Richter kritisiert Warener Anwalt – Zwei Schüsse tödlich – Schnelles Urteil geplant”

  1. Da ich am Montag bei der Verhandlung gegen Siegfried B. aus Waren selbst dabei war, kann ich nur sagen, dass ich auf der Website „wir-sind-mueritzer.de“ den besten Bericht darüber gelesen habe. Im „Nordkurier“ wurde dagegen die seltsame Rolle des Warener Anwalts Detlef S. überhaupt nicht thematisiert, obwohl gleich zu Beginn der Verhandlung der Vorsitzende Richter am Schwurgericht, Jochen Unterlöhner, diesen Anwalt aufgrund dessen Untätigkeit kritisierte. Nach dem 2014 ergangenen Urteil am Landgericht Neubrandenburg auf Zurückzahlung von fast 100.000 Euro hätte längst eine Zwangsvollstreckung des Hauses, in dem die erschossene Rechtsanwältin und ihr Mann lebten, erfolgen können. Dann wäre es wohl kaum zu diesem Tötungsfall gekommen.

    Noch aber ist Hoffnung für Siegfried B. aus Waren: Das Urteil von 2014 ist 30 Jahre lang gültig.

    Danke der Redaktion des „wir-sind-müritzer.de“ für die gute Arbeit, auch auf Facebook

    • Alice Rumpel sagt:

      Jörg, ich denke es war weniger Unfähigkeit des Anwaltes als vielmehr Befangenheit. Die Anwälte in Waren sind doch alle miteinander dick befreundet. Keiner von denen wird einem anderen hier in der Stadt was Böses tun. Der feine Herr Anwalt wird Siegfrid B. ein paar schöne Lügenmärchen erzählt haben.
      Wie heißt es so schön: eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
      Siegfrid B. hätte sich damals einen Anwalt aus Rostock nehmen sollen. Dann wäre vielleicht alles anders gekommen.