Müritz-Region: Zahnärzte-Drama schon am ersten Wochenende

6. Januar 2025

Da quälen sich die Menschen wohl lieber mit dicker Backe bis zum Montag. Wie berichtet, ist der Bereitschaftsdienst der Zahnärzte mit Beginn des Jahres in Mecklenburg-Vorpommern grundlegend verändert worden. Und das haben die Müritzer, die am ersten Wochenende des Jahres Probleme mit den Zähnen hatten, gleich einmal schmerzvoll zu spüren bekommen. Zehn Notfallpraxen haben ab sofort Bereitschaft – im ganzen Land. Was das für die Müritz-Region und ihre Einwohner bedeutet, zeigte sich am Wochenende – die dichtesten Praxen waren mehr als 35 Kilometer entfernt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen. Wer mit dem Auto los wollte, musste sich über spiegelglatte Straßen quälen. Oder blieb eben mit Kühlakku und Schmerztabletten zu Hause. „Die Krankenkassenbeiträge steigen, aber die Leistungen werden immer weniger. Das ist eine Katastrophe“, so eine Schmerzpatientin gegenüber „Wir sind Müritzer“. Sie konnte zu keiner der genannten Praxen fahren und hat ein wirklich leidvolles Wochenende hinter sich. „Wir zahlen immer mehr, die Leistungen werden immer weniger“, so ihr Fazit.
Warum?

Am Sonnabend zeigte die Internetseite für den zahnärztlichen Bereitschaftsdienst als nahegelegene Hilfe eine Praxis in Plau am See an – 35,6 Kilometer von Waren weg und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur über abenteuerliche Umwege zu erreichen. Per Auto war’s nicht besser, denn die Straßen waren spiegelglatt. Man hätte aber auch nach Neverin fahren können, 40 Kilometer von Waren entfernt. Oder Goldberg (44,7 Kilometer). Selbst Sassnitz war im Angebot (126,6 Kilometer)

Wenig besser am Sonntag: Die dichtestes Notfall-Praxis befand sich in Mirow – 26 Kilometer weg und mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen. Und wieder spiegelglatte Straßen. Die nächste Praxis, die empfohlen wurde: Krakow am See – 36 Kilometer weg und für Menschen ohne Pkw ebenfalls keine Option.

Doch die Zahnärztekammer hat die neue Regelung im Vorfeld als optimale Lösung verkauft. Der Bereitschaftsdienst der Zahnärzte wird nicht mehr wie bisher von Region zu Region festgelegt, sondern zentral in Schwerin. Dafür gibt es die einheitliche Notrufnummer 01806/123450 (Kosten pro Anruf 0,20 Euro aus dem deutschen Festnetz und 0,60 Euro aus dem deutschen Mobilfunknetz). Über diese Nummer  erreichen Patienten landesweit zehn Notfallpraxen, die täglich für dringende Fälle bereitstehen. Wochentags sind die Praxen von 19 bis 21 Uhr besetzt, an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 12 Uhr sowie von 17 bis 19 Uhr. Außerhalb dieser Zeiten ist der Bereitschaftsdienst telefonisch erreichbar.

Nötig wurde die neue Regelung laut Zahnärztekammer, damit der Notdienst überall im Land funktioniert, auch in dünn besiedelten Landesteilen.

Die Zahl der Vertragszahnärzte in Mecklenburg-Vorpommern sei seit 2013 um 25 Prozent gesunken. Aktuell sind im Land 1073 Zahnärzte tätig, 843 von ihnen in eigener Niederlassung. Besonders in ländlichen Regionen drohen Engpässe.

Während die Notrufnummer kostenpflichtig ist – warum eigentlich? –  kann man die diensthabenden Praxen auf der Internetseite der Zahnärztekammer MV auch weiterhin selbst suchen, und zwar hier kostenlos: www.zaekmv.de


13 Antworten zu “Müritz-Region: Zahnärzte-Drama schon am ersten Wochenende”

  1. güphi sagt:

    Hallo,
    abgesehen dass die Regelung sehr sparsam ist, sind die angegebenen Kilometer – so wie sie auch auf Seiten der Ärztekammer stehen – Blödsinn. Das sind Luftlinienentfernungen und nicht die tatsächlichen Fahrkilometer.

  2. Micha sagt:

    Unser Hausarzt war vom 19.12. nicht mehr da. Seine Vertretung war ab 24.12. nicht mehr zu erreichen.
    Ein anderer praktischer Arzt war ebenfalls nicht erreichbar.
    Dann bleibt nur noch die Rettungsstelle mit hohem Fieber und Schüttelfrost. Oder man fährt nach Berlin. Dort wurde meine Frau sofort behandelt.
    Was spielt sich hier eigentlich ab ?
    Katastrophale Zustände.

  3. ABC sagt:

    Manno, das ist hier Waren (Müritz) und nicht in Afrika.
    Normal hätte ich gesagt, man springt dann schnell in den Zug und ist in einer Stunde bequem in Berlin, wo die Arztdichte viel höher ist und die Verkehrsanbindung sehr viel besser. Es gibt nämlich tatsächlich Menschen, die kein Auto haben. Aber hier in Waren geht ja selbst das nicht mehr!
    Oder ist das die Rückkehr zum Sozialismus in anderer Form? Obwohl – die zahnärztliche Versorgung war damals tadellos.
    Vielleicht können sich hier einmal die gewählten Volksvertreter einschalten und eine bessere Lösung herbeiführen. So geht das jedenfalls nicht.

  4. Jenny sagt:

    Das ist schon ganz schön heftig, was man mit uns Patienten macht. Was da wohl noch alles kommt. Übrigens zu den Praxisöffnungszeiten vor und nach den Feiertagen. Das geht wirklich gar nicht. Krank werden darf man eben nicht zu solchen Zeiten. Da kann man ganz schön Pech haben. Das ist wirklich schlimm mit den Praxisschliessungen während dieser Zeit. Ich verstehe auch nicht, warum das so sein muss.

  5. Warener sagt:

    @Micha
    Am Freitagnachmittag, Wochende und an Feiertagen ist die Notfallpraxis am Krankenhaus immer von 9-12 und 16-18 Uhr besetzt. Da muss man nicht extra nach Berlin fahren oder in die Notaufnahme.

  6. Stefan sagt:

    Süß, wie hier der Mangel an Ärzten der Regierung zugeschrieben wird.

    Vielleicht sollten wir alle einmal an uns arbeiten, damit Mediziner sich auch gern hier niederlassen wollen.

  7. Stefan sagt:

    Aber für einen Arzt ist es zumutbar, 30 km bei Glaette x mal für jeden Notdienstpatienten in die Praxis zu fahren? Es ist für sein Personal zumutbar, Weihnachten in der Praxis zu verbringen, dass die ganze Woche im Gegensatz zu den ganzen Work Life Home-Office-Fritzen durchgeknueppelt hat? Und soll dieses mit 50 Euro von der Kasse wirtschaftlich gestalten? Zahnschmerz ist kein zahnärztlicher Notfall – geht nachts spazieren – lenkt ab und gewöhnt euch an die neue Dienstleisterwelt. Keiner will mehr 40 h beim Zahnarzt arbeiten + nachts, am Wochende und an Feiertagen den Notdienst mitmachen – dann ist das jetzt die erste Stufe des neuen Nordienstes und das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und denkt in ein paar Jahren daran, wie schön es war, als man nur 30 km fahren musste .

    • Erstens fährt der Arzt nicht wegen jedes Notfalls in die Praxis, es gibt feste Sprechzeiten, und zweitens gibt es wirklich Zahnprobleme, die ein Notfall sein können.

  8. Tommy sagt:

    Dieses Problem hat leider nicht nur Waren sondern auch Neustrelitz, Neubrandenburg und viele andere Städte in der Region.
    Ich als Neubrandenburger kann im Notfall nach Neustrelitz, Feldberg, Waren oder wo auch immer hinfahren wo halt grade Bereitschaft ist.
    Dieses System ist einfach nur zum k….. .
    An die alten die kein Auto haben oder keine Angehörigen mehr haben was machen die? Die haben Pech. Wo sind wir nur gelandet schande um Deutschland

  9. Stefan sagt:

    Da muss ich Frau Rußbüldt-Gest recht geben.
    Wer schon mal starke Zahnschmerzen, einen entzündeten Nerv, oder Abszess, hatte, möchte wirklich nicht noch ein bis zwei Tage auf Hilfe warten.
    Es liegt mit Sicherheit auch nicht an der Bereitschaft Vollzeit tätig zu sein.
    Der Notdienst kommt schlicht noch oben drauf und wir haben, falls es nicht aufgefallen sein sollte, immer weniger Ärzte.

    Ich saß vor einiger Zeit im Wartebereich des Zahnarztes meines Vertrauens, und dort sitzt man wirklich nie lange, und bekam ein Gespräch zwischen einem älteren Herren und einer Dame mit, in welchem er ziemlich ungehalten meinte, er würde gleich gehen und der Schwester seine Meinung sagen, denn schließlich muss er nun schon fast 10 Minuten warten und das könne ja gar nicht sein und dann müsse er sich einen anderen Arzt suchen.
    Im selben Zeitraum riefen bestimmt drei Personen in der Praxis an und wurden von der Schwester sehr höflich darüber informiert, dass die Praxis derzeit keine Kapazität besitzt um neue Patienten aufzunehmen.

    Vielleicht können wir alle etwas Abstand von dem ohnehin schwierigen Zitat „Der Kunde ist König“ nehmen und mehr verstehen, dass es ein beiderseitiges Übereinkommen ist – übrigens nicht nur beim Arzt.

    Wenn Sie sich das nächste Mal über eine lange Anfahrt ärgern, stellen Sie sich einfach vor es wäre der erste Weihnachtsfeiertag, Sie haben das Haus voller Gäste und plötzlich ist die Abwasserleitung im Haus verstopft.
    Dann haben Sie wahrscheinlich ein weit größeres Problem ;)

  10. toberg sagt:

    @Stefan6. Januar 2025 um 19:47 Uhr
    >“Süß, wie hier der Mangel an Ärzten der Regierung zugeschrieben wird. Vielleicht sollten wir alle einmal an uns arbeiten, damit Mediziner sich auch gern hier niederlassen wollen.“
    Teils teils… Ob sich ein Arzt auch für Patienten der gesetzlichen Krankenkassen in einer Region niederlassen darf, entscheiden die Kassen. Da gibts einen Schlüssel je Patientendichte. Und der hängt auch von der Finanzierung des Gesundheitswesens ab.
    Wenn eine Praxis durch z.B. Alterung frei wird und mit einem jungen Mediziner neu besetzt werden kann, ist dann wieder eine Frage des „regionalen Feelings“, wie sich junge Mediziner in dieser Region wohl fühlen.

  11. Stefan sagt:

    @toberg
    Mit dem Schlüssel haben Sie natürlich recht, aber der betrifft uns doch mehr als selten. Aktuell gibt es einfach kaum „Nachfolger“ für die Praxen und ich kann es jedem nicht durch und durch Biodeutschen auch nicht verübeln, wenn er sich lieber mit seiner Familie woanders niederlässt.

  12. G.R sagt:

    Die Regierung macht die Gesetze und kein anderer. Vor Jahren kam einmal ein schlauer Mensch darauf, das sich das Gesundheitssystem rechnen müsse. Warum? Das sich die Oberen im Gesundheitswesen und den Pharmaerzeugern die Gehälter ins Maßlose erhöhen können? Das dann auch eventuell Aktienbesitzer sich auch noch die Taschen füllen können? Die Voraussetzungen, damit sich Ärzte niederlassen müssen gleichgesetzt werden. Jeder, der eine Qualifikation hat, sollte nach Ihr bezahlt werden und nicht nach vorgeschriebenen Patientenzahlen. Bei immer mehr Patienten sinkt dann auch die Qualität der Behandlung. Das ganze System ist marode. Wir sind da angekommen, wo wir schon einmal waren.