Projekt erprobt Versorgung durch spezialisierte Pflegefachkräfte

14. April 2024

In Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg startet das Projekt „ErwiN“, das die medizinische Versorgung von zunehmend älteren, chronisch kranken Menschen im häuslichen Umfeld verbessern soll. „ErwiN“ steht für Erweiterte Übertragung von arztentlastenden Tätigkeiten in ArztNetzen. Neun erfahrene Pflegefachkräfte, die zurzeit an der Universitätsmedizin Greifswald eine umfangreiche Zusatzausbildung in den Bereichen Schmerz, Hypertonie sowie Ernährung und Ausscheidung erhalten, übernehmen Hausbesuche und Behandlung von bereits diagnostizierten Erkrankungen in enger Abstimmung mit den versorgenden Ärzten. Über Videosprechstunden können Ärzte bei Bedarf hinzugezogen werden.

Geringere ärztliche Kapazitäten, insbesondere in ländlichen Regionen, stehen in der Zukunft immer mehr Patienten mit komplexen Erkrankungen gegenüber. Gleichzeitig wünschen sich Pflegefachkräfte in Deutschland mehr Kompetenzen, so wie es in anderen Ländern bereits der Fall ist. Diese beiden Entwicklungen wollen die Partner des Projektes zum Wohl der Patientenversorgung in der Zukunft mitgestalten.

Erfolg in skandinavischen Ländern

Das deutsche Gesundheitswesen steht vor enormen Herausforderungen. Bis zum Jahr 2040 wird laut Statistischem Bundesamt die Anzahl der Menschen über 67 Jahre um rund 5,2 Millionen ansteigen. Viele von ihnen werden chronisch krank oder multimorbid sein und eine kontinuierliche medizinische Betreuung benötigen. Dabei gibt es schon heute in vielen Regionen zu wenig Haus- und Facharztpraxen. Das Bundesgesundheitsministerium legte in Anlehnung an die Praxis in anderen Ländern im Dezember 2023 Eckpunkte für ein Pflegekompetenzgesetz vor. Im Mittelpunkt steht die große Mehrheit der Pflegekräfte, nämlich examinierte Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung. Mit dem Einsatz von spezialisierten Pflegefachpersonen in der direkten Versorgung sind die Beteiligten im Projekt „ErwiN“ der gesetzgeberischen Entwicklung voraus. Sie erproben nun über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren die Übernahme von ärztlichen Aufgaben, die außerhalb von genehmigten Projekten bislang nicht möglich ist. Sehr gute Erfahrungen mit solchen Versorgungsformen machen unter anderem die skandinavischen Länder seit Jahren. Der Erfolg von „ErwiN“ wird zum Projektende daran gemessen, ob Krankenhauseinweisungen reduziert, die Sicherheit der Arzneimitteltherapie gesteigert, Blutdruckwerte, Schmerzempfinden sowie Mangelernährung von Patienten reduziert werden konnten.

Umsetzung in vier Regionen

Umgesetzt wird das Projekt ErwiN in den Altkreisen Uecker-Randow und Anklam (Mecklenburg-Vorpommern), im Mittelbereich Elsterwerda/Bad Liebenwerda (Süd-Brandenburg), in den Landkreisen Uckermark und Ostprignitz (Nord-Brandenburg) sowie in den Stadtbezirken Treptow-Köpenick und Neukölln-Tempelhof (Berlin). Beteiligt sind die Arztnetzte MEDIS Management GmbH (Konsortialführung), AGBAN – Arbeitsgemeinschaft Berliner Arztnetze GmbH & Co. KG und HaffNet Management GmbH. Mit der AOK Nordost und der BARMER sind die beiden Kassen mit den größten Marktanteilen in den Regionen beteiligt. Der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses fördert ErwiN für eine Laufzeit von 3,5 Jahren mit rund 6,7 Mio. Euro.

Sylvia Grimm, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport Mecklenburg-Vorpommern:
„In Mecklenburg-Vorpommern ist der demografische Wandel schon weiter fortgeschritten, als in vielen anderen Regionen. Zukunftsweisende Projekte wie ErwiN helfen uns dabei, unsere Gesundheitsversorgung mit modernen Lösungen an diese veränderten Realitäten anzupassen. Zugleich tragen sie zu einer besseren Gesundheit und höheren Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten insbesondere in dünner besiedelten, ländlichen Regionen des Landes bei.“

Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BARMER Mecklenburg-Vorpommern:
„Über den Innovationsfonds haben wir eine einzigartige Möglichkeit, neue Versorgungsformen zu entwickeln und zu erproben. Dabei rückt der ländliche Raum für uns in Mecklenburg-Vorpommern in den Fokus, weil sich hier ein besonderer Bedarf an innovative Lösungen abzeichnet. Wir hoffen, dass am Ende des Projektes eine Überführung in die Regelversorgung erfolgen kann.“

Dr. Sabine Meinhold, ErwiN-Netzärztin, HaffNet:
„In einer Region wie unserer, die geografisch weitläufig ist, gewinnen spezialisierte Pflegefachkräfte zunehmend an Bedeutung in der Gesundheitsversorgung. Als integrativer Bestandteil von Arztnetzen sind sie unersetzlich. Ihre Expertise und ihre leidenschaftliche Fürsorge stärken nicht nur unser Teamgefüge, sondern bringen auch eine deutliche Verbesserung in die Betreuung und Behandlung unserer Patienten.“


Eine Antwort zu “Projekt erprobt Versorgung durch spezialisierte Pflegefachkräfte”

  1. ABC sagt:

    Es ist kein Wunder, dass es so viele chronisch Kranke oder multimorbide Menschen über 67 geben wird. Wer so lange arbeiten muss, wird eben krank, das ist ganz normal.
    Nach der Wende fanden viele versierte ostdeutsche Krankenschwestern es geradezu idiotisch, was sie nach dem bundesdeutschen Gesetz alles NICHT mehr machen durften. Man hat sich regelrecht ergangen darin, uns zu sagen was wir ja eigentlich alles gar nicht KÖNNEN könnten. Und wie man uns bestrafen könnte! Nachdem das aber nun 34 Jahre lang so eingeschliffen wurde, sollte es auch so bleiben. Sie haben die Pflege hier in Deutschland genug auf den Hund gebracht. Die Pflege weiter auszuhöhlen und den Pflegekräften noch mehr „Kompetenzen“ aufzubürden halte ich für absolut falsch. Man kann nicht nur immer abwälzen. Ich bin der Meinung: Wer viel verdient soll ruhig auch dafür arbeiten müssen. Das sind in diesem Falle die Ärzte. Ich müsste ziemlich lange überlegen, ob ich nach der Wende jemals gesehen habe, dass sich Ärzte für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte eingesetzt haben. Können sich die Pflegekräfte im Alter die eigene pflegerische Versorgung überhaupt leisten?? Oder dümpeln sie finanziell knapp über der Armutsgrenze dahin? Außerdem arbeiten Schwestern genau so viel wie Ärzte, nur dass sie am Ende nicht eine Matte Geld nach Hause tragen. Kaum ein Beruf verschleißt Körper und Seele so stark wie der Pflegeberuf. Dem muss endlich Rechnung getragen werden. Ich denke da an deutlich mehr Gehalt und eine ebenso deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Für Kriege ist doch auch so viel Geld da, das wird schon gehen. Wie sich die Politik aus dieser Forderung immer wieder herauswindet ist regelrecht ein Phänomen!
    Der Ärztemangel muss in Deutschland anders behoben werden.