Ungewöhnlicher Gerichtsprozess: Ein Rentner, ein Dachdecker-Vertreter, viel Alkohol und einige Goldbarren
Das Leben eines Firmenvertreters für Dachdeckerarbeiten kann manchmal aufregend sein – zumindest im Fall von Wolfgang P. aus Bremen. Die Mischung aus Auftragsgespräch, Geld, Gold, Waffen und Alkohol brachte dem 44-jährigen Mann im Jahr 2021 einen ominösen Schwung von Erlebnissen, so dass er nun wegen Diebstahls in Neubrandenburg vor Gericht stand – und es letztlich doch mit einem Freispruch verlassen konnte.
Alles fing im Februar 2021 an. Die Firma aus Bremerhaven hatte wie immer in der Sonntagszeitung eine Anzeige geschaltet, dass man kostengünstig Dächer repariert, Schäden ausbessert oder gleich alles neu eindeckt. Der jetzt 81-jährige Rentner aus Dargun meldete sich telefonisch, Vertreter Wolfgang P. reiste herum, auch zu ihm.
Ein Haus des Rentners hatte einen Regenschaden. Da hilft es am besten, wenn man die gesamten 160 Quadratmeter Dachfläche ganz neu eindeckt, das würde etwa 19 000 Euro kosten. Schnell war man sich einig, zehn Prozent Anzahlung waren fällig. Das Geld und – wie später bekannt wurde – vier Goldbarren im Wert von heute etwa 160 000 Euro bewahrte der Rentner in seinem Haus in einem Waffenschrank auf, denn er war Waidmann.
Dann gehen die Schilderungen auseinander. Weil alles so gut klappte und man sich als Jagdkenner gut verstand, schaute der Vertreter am nächsten Tag nochmal rein, und brachte eine Flasche Obstler mit. Beide tranken, der Rentner etwas viel mehr. Später will er sich an nichts mehr erinnert haben.
Der Vertreter schon. Man sei dann mit dem Auto des 81-Jährigen zu Freunden gefahren, dort gab es noch mehr Hochprozentiges. Dann fuhr der Vertreter, der sich beim Trinken an jenem Samstag zurückhielt, mit dem Senior zurück. Beim Aussteigen soll dieser gestolpert und so lang hingeschlagen sein, dass er eine blutenden Kopfwunde erlitt.
Er habe den Mann in dessen Haus in Neukalen gebracht und den Rettungsdienst geholt. In der Zwischenzeit habe der Betrunkene ihm zwei je Ein-Kilo-Goldbarren übergeben. Einer sollte für ihn sein, aus Dankbarkeit, der zweite für eine Freundin. Der Betrunkene wurde mitgenommen in eine Klinik, der Bremer fuhr mit dem Gold nach Hause. Eine ihm ebenfalls überlassene Pistole will er auf dem Friedhof versteckt haben. Das Ganze kam ihm doch etwas spanisch vor.
Am nächsten Tag wurde der Rentner entlassen, kam nach Hause und vermisste Gold und außerdem zusätzlich etwa 2500 Euro aus dem Waffenschrank, der offengeblieben war. Der Bremer kam wieder und brachte die beiden Ein-Kilo-Barren sowie die Pistole lieber wieder zurück. Am nächsten Tag drohte ihm der Rentner am Telefon, ihm werde was passieren, wenn er nicht auch noch das fehlende Geld und zwei weitere Goldbarren zurückbrächte, die auch noch fehlten.
An dem Punkt kündigten beide Seiten den Dachdeckervertrag lieber wieder ganz. Auch die 1900 Euro, die Anzahlung, wurde zurückgezahlt. „Ich war sehr überrascht, als einen Monat später die Polizei bei mir vor der Tür stand“, sagte der Angeklagte. Doch man fand bei dem Angeklagten nichts.
Im Prozess konnte der allein lebende Rentner nicht belegen, dass der Angeklagte der einzige war, der je Zugang zu seinem Haus gehabt hatte. Überhaupt konnte er sich an nichts erinnern. Das sei ihm noch nie passiert: „Und ich kann einen Eimer voll ab“, sagte er der Richterin. Ihm war klar; der Bremer muss ihm etwas in das Getränk gemixt und dann alles gestohlen haben.
Richterin Tanja Krüske war das alles zu vage. Man könne nicht mit Sicherheit sagen, dass der Angeklagte etwas gestohlen hat, sagte sie. Und es mache wenig Sinn, dass der 44-Jährige zwei Goldbarren wieder zurückbringt und zwei andere behält. Damit sprach sie den Bremer frei –dieser war sehr erleichtert, dass zwei Jahre Rechtsstreit vorbei sind. “ Es war aber ein „ziemlich merkwürdiges Verhalten“ für einen Dachdeckervertreter“, sagte Krüske am Ende. Der 81-Jährige war da schon lange wieder gegangen.